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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen
Autoren: Natalie Luca
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angenehm, denn ich konnte kaum atmen. Und ich konnte mich nicht bewegen.
    Langsam, mit viel Mühe, öffnete ich die Augen. Verschwommen sah ich etwas Helles dicht vor mir. Ich blinzelte.
    Ich spürte, dass ich eingeklemmt war. Verwirrt ließ ich meine Augen herumwandern in dem Versuch, mich zu orientieren.
    Mein Blick wurde klarer. Das helle Etwas vor mir drückte gegen meine Brust. Ich sah mich weiter um, bis mein Blick an einem Gegenstand dicht vor meinem Gesicht hängenblieb. Das Ding hing schief und war zerbrochen, und es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, was darunter baumelte. Es war ein kleiner, goldener Flügel.
    Ich starrte wie hypnotisiert auf das zerbrochene Glas und den Anhänger darunter, und in meinem Verstand formte sich ganz langsam die Erkenntnis.
    Das war mein Rückspiegel.
    Ich befand mich noch in meinem Auto .
    Ich sah genauer hin und erkannte, dass da keine Windschutzscheibe mehr war. An ihrer Stelle hatten sich Teile der Karosserie und der Friedhofsmauer ineinander verkeilt. Ich drehte den Kopf ein wenig zur Seite und starrte auf die schwarze Mauer neben mir, dort, wo der Beifahrersitz hätte sein müssen.
    Die Mauer war mir so nah, dass ich die feuchte Kälte der Steine spüren konnte. Unfähig, meinen Blick abzuwenden, formte sich der erste klare Gedanke in meinem Verstand.
    Wie ist es möglich, dass ich noch am Leben bin?
    Das kreischende Geräusch von Metall ließ mich erschrocken zusammenzucken. Ich drehte den Kopf ein wenig, blickte nach oben, und erstarrte. So dicht über meinem Kopf, dass ich beinahe dagegen stieß, befand sich das, was von meinem Autodach noch übrig war. Eingedellter Schrott, von der Wucht des Aufpralls zusammengepresst, hatte meinen Kopf nur um wenige Zentimeter verfehlt.
    Als das Metall mit einem scheußlichen Geräusch zurückgebogen wurde, drang Regen durch das zerfetzte Autodach ins Innere des Wagens. Ich begriff, dass jemand versuchte, mich zu befreien.
    Ein Ruck ging durch das Wrack und ich duckte mich erschrocken, als ein Teil des Dachs mit roher Gewalt weggerissen wurde und in einiger Entfernung auf dem Asphalt aufschlug. Ein zweiter gewaltsamer Ruck folgte, begleitet vom Geräusch zerreißenden Metalls, und der Rest des Dachs landete scheppernd auf der Straße.
    Ich drehte meinen Kopf vorsichtig nach oben, um zu sehen, wer mein Retter war. Das Unwetter peitschte so viel Regen in mein Gesicht, dass ich kaum etwas erkennen konnte. Über mir nahm ich undeutlich die Gestalt eines jungen Mannes wahr, der breitbeinig auf der Karosserie des Wracks stand. Er beugte sich zu mir herunter und arbeitete mit raschen Bewegungen daran, mich zu befreien. Ich konnte kaum atmen, mein Kopf schmerzte und alles wurde wieder verschwommen und unscharf. Mit Mühe kämpfte ich gegen die Bewusstlosigkeit an.
    »Hab keine Angst«, sagte der Fremde leise, dicht an meinem Ohr. Seine Stimme klang samten und melodisch.
    Ich wollte ihm danken, aber ich brachte keinen Ton hervor. Ich bekam kaum noch Luft, eingeklemmt zwischen dem Sitz und dem Armaturenbrett, mit dem Rest des Airbags und dem Lenkrad, die gegen meine Brust drückten. Ich musste meinem Retter sagen, dass die Wrackteile mir die Luft abschnürten, doch ich konnte nicht. In Panik begriff ich, dass ich bereits in eine tödliche Ohnmacht glitt, ohne ihm verständlich machen zu können, dass ich erstickte – doch kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, drang das brutale Geräusch von knirschendem Metall und Kunststoff in mein schwindendes Bewusstsein. Das Armaturenbrett schien direkt vor mir zu zerbersten, und der Druck auf meiner Brust ließ augenblicklich nach. Keuchend sog ich kalte, feuchte Luft in meine Lungen. Mein Verstand wurde klarer, als frischer Sauerstoff in meinen Körper drang. Ich blinzelte; der Airbag war fort – und mit ihm der Großteil des Armaturenbretts. Lose Kabel baumelten aus dem vorderen Teil des Wagens, dort, wo sich vor einem Moment noch das Lenkrad befunden hatte. Ich starrte ungläubig auf den zerfetzten Kunststoffblock vor mir.
    Mein Retter versuchte, meinen Sicherheitsgurt zu lösen, doch der Verschluss war unter dem zusammengepressten Wrackteil der Beifahrerseite begraben. Da griff er direkt nach dem Gurt, ein blitzschneller, kraftvoller Ruck, und der Riemen gab mich frei.
    Ich blinzelte wieder und zwang mich, bei Bewusstsein zu bleiben. Der Rahmen der Windschutzscheibe war durch den Aufprall nach innen gebogen worden und das Metall ragte gefährlich nahe an meinen Kopf heran. Doch mein
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