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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge
Autoren: Sean Thomas Russell
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einer angelaufenen Laterne schillerten.
    Die Männer stiegen noch tiefer unter Deck zu ihren Hängematten. Und während sie die Stufen nahmen, kam es irgendwo am Fuße der Stiege zu einem Gerangel, woraufhin einer der Männer das letzte Stück nach unten stürzte. Wütende Stimmen drangen nach oben.
    »He, Leute!«, rief Griffiths warnend nach unten. »Muss ich Mr Landry rufen?«
    Ein mehrstimmiges »Nein, Sir!«, hallte nach oben, und das Geschubse und Fluchen hörte auf. Die Matrosen murmelten weiter vor sich hin, während Griffiths nach unten stieg.
    »Die haben Penrith erledigt«, schnappte der Schiffsarzt von irgendwo her auf. »Die verfluchten Lumpen. Ausgerechnet Penrith!«

K APITEL ZWEI
    Philip Stephens war seit dreißig Jahren Erster Sekretär der Admiralität. Davor war er Zweiter Sekretär gewesen. Durch seine zierlichen Hände ging die Korrespondenz von Admirälen und Kapitänen, von Mitgliedern des Oberhauses, Ministern und Spionen. Leutnant Charles Hayden wusste genau, dass in den Büroräumen der Admiralität niemand besser mit den Einzelheiten der Navy und ihren in fernen Gewässern segelnden Flotten vertraut war als dieser kleine Mann, der vor ihm saß, halb verdeckt von einem Schreibpult. Dass der Erste Sekretär jedoch überhaupt von der Existenz eines Leutnant Charles Saunders Hayden wusste, war so etwas wie eine Überraschung.
    Als Stephens sich über ein Schreiben beugte, brach sich das Londoner Sonnenlicht, das matt durch das Fenster fiel, in den Brillengläsern des Mannes und zeichnete sich in Regenbogenfarben auf seiner Wange ab. Die auffälligsten Details in Stephens Gesicht waren die roten Äderchen, die sich über seine Knollennase zogen. Von dort schlängelten sie sich über seine Wangen und breiteten sich unter dem Farbenspiel, das seine Augengläser erzeugten, fächerförmig aus. Hayden meinte, nicht ein Gesicht zu betrachten, sondern eine wahre Landschaft.
    »Kapitän Bourne hat eine hohe Meinung von Ihnen«, krächzte Stephens mit kehliger, belegter Stimme.
    »Ich möchte mich bemühen, diese Ehre zu verdienen.«
    Stephens schien das überhört zu haben, legte den Brief auf seinen aufgeräumten Tisch, nahm seine Brille ab und musterte Hayden. Der Leutnant, für den diese Begutachtung etwas zu schnell kam, spürte, wie ihm Hitze ins Gesicht schoss. Doch es gab keinen Grund, gekränkt zu sein. Dass ihn im Admiralitätsgebäude überhaupt jemand wahrgenommen hatte, war eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lassen durfte.
    Hayden stellte sich die Admiralität wie einen Königshof vor. Der Erste Lord war der Herrscher, die Kommissare der Lords seine Minister, alles ranghohe Personen. Unter dem Lord standen, dem Rang entsprechend, die Admiräle, dann die Vizeadmiräle und Konteradmiräle sowie die Kommandanten. Weit unterhalb dieser einflussreichen Personen warteten die rangniedrigen Leutnants, die alle verzweifelt hofften, zum Kommandanten jenes kleinen Außenpostens des britischen Empires ernannt zu werden, der unter der Bezeichnung Kriegsschiff bekannt war. Diejenigen, die über einflussreiche Familienbeziehungen verfügten und die Gewandtheit eines Höflings beherrschten, hatten die besten Aufstiegschancen. Gewiss benötigte die Admiralität stets einige wenige begabte Funktionäre wie Philip Stephens, damit alles reibungslos lief. Dazu eine Hand voll beherzte, kampfbereite Kapitäne, auch einen oder zwei Admiräle, die in der Lage waren, eine Flotte zu befehligen. Die Höflinge aber saßen mit gesenktem Haupt da, lächelten charmant, wenn sie wahrgenommen wurden, und hofften, einen Gönner zu finden, der womöglich ein gutes Wort für sie einlegte. Hayden war von Natur aus kein Höfling, aber er tat sein Bestes, um dennoch aufmerksam und freundlich zu erscheinen.
    Stephens schien das nicht aufzufallen. »Ich habe einen guten Posten für Sie, Leutnant.«
    Hayden holte tief Luft und atmete langsam in dem kleinen Raum aus. »Ich werde für immer in Ihrer Schuld ...«
    Der Erste Sekretär ließ ihn den Satz nicht zu Ende bringen. »Wir reden hier nicht von einem Posten, bei dem Sie für immer in jemand anderes Schuld stehen. Kapitän Josiah Hart braucht einen Ersten Leutnant.« Ein kleines, grimmiges Lächeln huschte über seine blassen Lippen. »Ich sehe es Ihnen an, dass Sie sich ein Kommando erhofft hatten ...«
    Hayden zog eine taktvolle Antwort in Betracht, ergab sich dann aber in sein Gefühl von Wut, in das sich auch Enttäuschung mischte. »Diesmal hatte ich in der Tat
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