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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge
Autoren: Sean Thomas Russell
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eine Antwort von Ihnen. Denn sonst wird der Posten anderweitig vergeben.« Er beugte sich vor und schob den Zettel weiter zu Hayden. »Falls Sie sich für eine Karriere in der Navy entscheiden sollten.«
    Hayden erhob sich, ohne das Stück Papier an sich zu nehmen. Dann zögerte er jedoch und blickte auf den kleinen, rechteckigen Zettel, auf dem der Name in schmaler Schrift stand. Eins war ihm bewusst: Wenn er diesen Raum ohne den Zettel verließ, dann konnte er seine Uniform gleich an den Nagel hängen. Seine Karriere in der Navy wäre zu Ende - und eine solche Entscheidung durfte er nicht überhastet treffen. Er streckte die linke Hand aus, nahm den Zettel an sich und ließ ihn schnell in seiner Tasche verschwinden. Philip Stephens hatte sich derweil wieder seinen Papieren zugewandt und schien nichts gesehen zu haben.

K APITEL DREI
    Leutnant Hayden stand mit dem Rücken vor dem wärmenden Kamin. Seiner durchnässten Hose entstieg ein nebelartiger Dampf. Der kleine Salon - Mrs Hertles »Chinese Room« - schien an diesem Abend ein Quell von Wärme und guter Laune zu sein. Draußen schlug ein heftiger Sommerregen gegen die Scheiben. Wind rüttelte an den Fenstern. Hayden achtete auf die antike Vase, ehe er sich mit den Ellbogen auf dem Kaminsims abstützte, wo der feuchte Uniformstoff eine kleine Lache hinterließ.
    »Das wird dich aufmuntern, Charles.« Robert Hertle reichte seinem Freund ein dampfendes Glas. Der scharfe Geruch von Brandy erfüllte die Luft. »Ich schaue nach, ob ich eine trockene Hose für dich habe.«
    »Nein, lass nur, Robert, bitte keine Umstände. Das Feuer trocknet die Sachen schon.«
    Robert schien davon nicht überzeugt zu sein, drängte seinen Freund aber nicht weiter. Die beiden Männer kannten sich schon aus Kindertagen, da ihre Väter eng befreundet gewesen waren. In diesem Fall war es keine Übertreibung, wenn man sagte, die beiden waren wie Brüder, obwohl sie unterschiedlicher nicht hätten aussehen können: Hayden hatte dunkle Haare, Hertle war hellblond.
    Hayden erhob sein Glas. »Wir sollten einen Toast aussprechen. Auf den Vollkapitän Robert Hertle.«
    Der Gastgeber lächelte bescheiden und freute sich sichtlich über die freundlichen Worte seines Freundes. Eine wohlige Wärme durchströmte ihn. »Das war unverdient, wie du genau weißt.«
    »Nein, das hast du dir wirklich verdient. Denk doch nur an all die Nichtsnutze, die den Posten vor dir hatten - auch wenn die Kommissare der Lords sie aufs Quarterdeck stellen und nicht unter das Heck, wo Totholz hingehört.«
    Robert lachte. »Ich wollte eigentlich damit sagen, dass du den Posten mehr verdient hättest als ich.«
    »Ach, hör auf damit«, erwiderte Hayden und versuchte, seine Verbitterung und Enttäuschung zu verbergen. Seinem Freund zuliebe.
    »Das wirst du aber, fürchte ich, noch öfter zu hören bekommen.« Robert deutete auf einen Stuhl. »Bitte, Charles, mach es dir bequem.«
    »Sobald die Sachen trocken sind.«
    Robert betätigte eine kleine silberne Glocke, woraufhin ein Dienstmädchen in den Salon eilte. »Anne, bring uns eine Decke, die wir über den Stuhl legen können. Leutnant Hayden ist in einen wahren Wolkenbruch geraten.« Er stellte den Cognacschwenker auf dem Kaminsims ab und half seinem Freund aus der nassen Jacke. »Die muss ordentlich trocknen«, mahnte er. »Ich hole dir derweil einen Gehrock fürs Abendessen.«
    Anne nahm die tropfnasse Jacke mit und brachte Augenblicke später eine dicke Decke, die über die Sitzfläche des Stuhls gelegt wurde. Charles setzte sich und unterdrückte einen Schauer.
    »Du musst mir alles genau erzählen«, sagte er. »Was für ein Schiff hat man dir gegeben?«
    »Vorerst eine kleine Brigg, bis eine Fregatte vom Stapel läuft. Dann erhalte ich mein Offizierspatent.« Er war darum bemüht, sich seine Freude nicht zu sehr anmerken zu lassen, wie Charles sehr wohl merkte. Gewiss aus Rücksichtnahme.
    »Und du«, sagte Robert und nahm gegenüber von Charles Platz, »erzähl mir von deinem Besuch bei der Admiralität.«
    »Woher, um alles in der Welt, weißt du davon?«
    Robert lächelte und kostete diesen kleinen Triumph aus. »Sie wurden beobachtet, Sir«, scherzte er. »Wie du zu den Räumen des Ersten Lords hinaufgingst. Ich bin schon den ganzen Nachmittag gespannt, was du mir Gutes berichten kannst.« Robert machte eine kleine Pause. »Nun, lass mich nicht im Ungewissen«, meinte er, als Hayden keine Anstalten machte, etwas zu erwidern. »Hat man dir ein Schiff
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