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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Motor an. ›Ich muß sofort Hedda anrufen. Wir brauchen jemanden, der sich darum kümmert – und zwar unverzüglich!‹ Er lenkte den Opel aus der Parklücke und sah, daß die Lichter des Motorrads erst aufzuleuchten begannen, als es in die Linden abbog. ›Mist‹, dachte Louis Adlon. ›Es wird schwierig werden. Mit diesen Brüdern ist nicht zu spaßen.‹

3.
    K ALTES E RWACHEN IN EINER P ARTERREWOHNUNG AM R OSENTHALER P LATZ
    Als der Wecker rasselte, war es stockfinster, aber Karl fand auf Anhieb den Hebel, der den Klöppel des Marterinstruments blockierte, und knipste die Nachttischlampe an. Er gähnte mürrisch, schob die Bettdecke zur Seite und tastete mit den Füßen nach den Pantoffeln. Es waren modische Lederpantoffel, Relikte aus besseren Tagen, sehr gut verarbeitet, aber leider ohne wärmendes Innenfutter und damit denkbar ungeeignet als Fußbekleidung in einem seit Wochen ungeheizten Parterrezimmer.
    Karl zog die Vorhänge zurück. Es regnete. Der Seitenflügel war noch dunkel. Nur im Vorderhaus bei Matuschkes brannte schon Licht. Der dicke Matuschke war einer der wenigen in der Straße, der noch Arbeit hatte, war Wärter im Pergamonmuseum und trug in seiner Freizeit zusätzlich den Stürmer aus. Karl griff nach dem Wecker. Mit zwei, drei Schritten hatte er seine Schlafkammer verlassen, stand im Flur und öffnete die Tür zur Küche, stellte den Wecker auf den Tisch neben die Teekanne. Die Taschenuhr, die er vom Vater geerbt hatte, befand sich seit geraumer Zeit im Leihhaus und würde es vermutlich so bald auch nicht verlassen.
    In der Kochmaschine hatte ein Glutrest überlebt. Karl legte ein paar Astkloben nach, wartete, bis sie aufflammten, und bedeckte sie mit Eierkohlen, die er mit dem Kehrblech aus einem löchrigen Kohlenkasten schaufelte. Dann ging er zum Spülstein und ließ den Wasserkessel randvoll laufen. Aus dem Hahn kam ein schwacher Strahl. ›Im Bad hat es genauso angefangen‹, dachte Karl. ›Erst hat’s nur noch gedrippelt, und dann war plötzlich Schluß.‹ Als der Gasring bläulich unter dem Tee- und Rasierwasser züngelte, schob Karl eine Emailleschüssel auf die sich langsam erhitzende Eisenplatte der Kochmaschine. Wie gesagt, Katzenwäsche war angesagt, seit über Weihnachten der Frost im Bad die Leitungen gesprengt hatte.
    Karls Frühstück fiel alles andere als üppig aus. Im Brotkasten befand sich ein trockener Kanten Marke Kommißbrot. Kirschmarmelade und Margarine standen auf der Fensterbank. Karl wickelte eine neue Rasierklinge aus und gab, als der Kessel pfiff, einen kräftigen Schuß Heißwasser in die Waschschüssel. Er füllte den Kessel wieder nach, damit es für den Tee reichte. Mit einem Dachshaarpinsel, der altersschwach Haare verlor, dafür aber einen Griff aus Elfenbein hatte, schlug er sich auf einer Untertasse Schaum. Karl rasierte sich schnell und so sorgfältig, wie es nur ging, denn von anheimelnder Wärme konnte in der Küche kaum die Rede sein. Er zog umständlich das knöchellange Leinennachthemd über den Kopf und wusch sich. Das Handtuch war ungebraucht und wollte nicht richtig trocknen, also funktionierte er das Nachthemd zum Handtuch um. Er überlegte einen Moment, ob er das bläuliche Würgemal neben seinem Kehlkopf mit einem Pflaster bedecken sollte, als hätte er sich beim Rasieren geschnitten, womöglich würde sonst jemand noch auf den Gedanken kommen, es könnte sich um einen Knutschfleck handeln – wahrlich keine gute Referenz bei einem Vorstellungsgespräch in einem seriösen Haus! –, aber dann verzichtete er doch auf den Heftpflasterstreifen, den er bereits zurechtgeschnitten hatte. Das Oberhemd, er hielt es sich vor, verdeckte die Blessur am Hals zur Genüge. ›Benno, du verdammter Hund!‹ dachte Karl und zeigte seinem Spiegelbild die geballten Fäuste. ›Das nächste Mal falle ich nicht mehr auf diesen fiesen Würger rein!‹ Aber ehrlich wütend war Karl auf seinen Trainingskameraden Benno nicht, zumal der ihm den Tip mit dem Adlon gegeben hatte.
    Sie hatten vorgestern nach dem Ju-Jutsu noch zwei, drei kleine Mollen mit Korn getrunken, im Leuchtturm , der kleinen Schöneberger Kneipe, wo man sich das noch gelegentlich leisten konnte.
    »Hat mir eener von erzählt, der da inner Verwaltung arbeetet. Wär doch wat für dich, Karl«, hatte Benno gesagt. »Die Stelle nennt sich Hausdetektiv, und wat ich jehört habe, sucht der olle Adlon jemand, den er dann uff seene Nobeljäste loslassen kann, ohne sich zu blamieren, wenn die edlen
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