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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01
Autoren: Douglass Sara
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und der angeborene Witz Faradays halfen ihr zusätzlich dabei, sich in Gegenwart von Personen ihres Standes behaupten zu können. Unabhängig davon, wie charmant sie zu plaudern verstand, fielen an ihr vor allem die grünen Augen, das kastanienfarbene Haar und der zarte Knochenbau auf. Alles zusammen verhieß das Erblühen allergrößter Schönheit, und so konnte es nicht verwundern, daß sie schon etlichen der jungen Herren aufgefallen war, die hier nach Mädchen aus gutem Hause mit reichlich Mitgift Ausschau hielten.
    Neben Faraday saß ihre neue Freundin Devera, die einundzwanzigjährige Tochter von Herzog Roland dem Geher. Devera besaß mit ihren blauen Augen, blonden Haaren und feinen Zügen eine außerordentliche Anziehungskraft, wie Faraday sich insgeheim sagte.
    Die Jüngere beugte sich zur Älteren vor und hoffte, daß dabei ihr kunstvoll aufgerichteter Haarturm, der nur von kleinen diamant- oder perlenbestückten Nadeln zusammengehalten wurde, nicht auseinanderfiele. »Alle hier sehen so schön und wunderbar aus, Devera«, flüsterte sie und konnte ihre Aufregung nicht ganz verbergen. Ihr Blick wanderte zum wiederholten Mal zu dem Kelch mit gewässertem Wein, den sie in der Hand hielt. Das Gold war mit Diamantensplittern übersät. Faraday mochte zwar eine vornehme Erziehung genossen haben, doch aufgrund ihrer Jugend ließ sie sich noch leicht von der offen zur Schau gestellten Pracht und dem ungeheuren Reichtum an Priams Hof beeindrucken.
    Devera lächelte ihr nachsichtig zu, konnte sie sich doch noch erinnern, wie es ihr vor zwei Jahren ergangen war, als sie zum ersten Mal bei Hofe gewesen war – aber das brauchte Faraday ja nicht unbedingt zu erfahren. »Ihr solltet wirklich versuchen, meine Liebe, etwas gelangweilter auszusehen. Wenn Menschen den Eindruck gewinnen, Ihr empfändet Ehrfurcht vor ihnen, nutzen sie das gern zu ihrem Vorteil aus.«
    Faraday blickte mit ernster Miene von ihrem Kelch auf. »Aber Devera, gewiß habt auch Ihr Artors Worte im Buch von Feld und Furche gelesen. Darin steht doch, daß es nicht gottesfürchtig ist, andere zum eigenen Vorteil auszunutzen.« Mutter Merlion hatte nicht nur Wert auf höfische Erziehung, sondern auch auf gründliche Unterweisung in religiösen Belangen gelegt.
    Die Herzogstochter verkniff es sich, die Augen zu verdrehen. Faraday hörte sich für ihren Geschmack entschieden zu frömmlerisch an. Natürlich fürchtete jeder am Hof den Zorn Artors und empfand die größte Achtung für den Bruderführer, aber ansonsten kam ihnen die Verehrung des Seneschalls um so leichter über die Lippen, je weniger sie im Herzen verankert saß. Gottgefällige Hingabe an den Weg des Pflugs kam den Höflingen nun doch ein wenig zu bäurisch vor – wie übrigens auch den meisten Bewohnern Karlons. Davon abgesehen lehnten viele Fürsten die Einmischung des Seneschalls in die Reichspolitik entschieden ab. Faraday würde lernen müssen, ihre Frömmigkeit für sich zu behalten, denn sonst konnte es ihr durchaus widerfahren, daß die besser aussehenden jungen Herren rasch das Interesse an ihr verloren. Denn es schien ja kaum zu übersehen zu sein, daß Graf Isend seine Tochter an den Hof mitgenommen hatte, um für sie eine gute Partie zu finden. Warum sonst hätte er sie in ein so elegantes dunkelgoldenes Seidenkleid stecken und mit feinsten Perlen behängen sollen? Devera selbst war mit einem jüngeren Sohn des Barons Falk verlobt und würde ihn noch in diesem Monat freien. Sie freute sich schon mit lüsterner Ungeduld auf diesen Tag.
    Aber wenn Faraday soviel an der Religion lag, dann könnte ihr Vater vielleicht für sie eine Audienz beim Bruderführer erwirken. Sie zeigte auf den weißhaarigen, gebeugten alten Mann, der zur Linken des Königs saß. »Sagt mir Faraday, habt Ihr den Bruderführer schon kennengelernt?«
    Das Mädchen richtete den Blick auf Priams Tafel und entdeckte den Führer des Seneschalls. Mit seinem gepflegten Haar (er trug keine Tonsur), seinem sanft gewellten und parfümierten Bart und der kostbaren Kleidung wirkte er genauso vornehm wie alle anderen am Tisch. An seiner linken Hand steckte ein massiver Smaragdring, und er betupfte sich so anmutig mit der Serviette den Mund wie Priam selbst. Seine Miene drückte Güte und Verstand aus, aber ihn schienen Sorgen zu plagen.
    »Nein«, antwortete Faraday und zögerte mit ihrer nächsten Frage. »Gehört er eigentlich der königlichen Familie an?«
    Devera schnaubte hinter vorgehaltener Serviette. »Aber woher
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