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Unsterbliches Verlangen

Unsterbliches Verlangen

Titel: Unsterbliches Verlangen
Autoren: Katryn Smith
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soll mit ihm sein?«
    Caroline hob die schmalen Schultern, zog sich die Glacéhandschuhe aus und spielte mit den leeren Hüllen. »Er scheint mir ein recht netter Gentleman.«
    »Ist er.« Pru war ihm vor ungefähr einem Jahr bei einer Lesung in London begegnet. Sie war die Partys leid gewesen und hatte sich nach etwas Vertrautem gesehnt, um sich abzulenken. Da fiel ihr zufällig ein Flugblatt in die Hände, das Marcus' Vortrag über die Gralssage bewarb. Pru war am sagenumwobenen Geburtsort von König Artus aufgewachsen, mithin wohlvertraut mit der Gralsgeschichte. Noch dazu hatte sie sich eine Welle der Idee hingegeben, selbst Historikerin oder gar Archäologin zu werden. Derlei Träume waren selbstverständlich ebenso auf der Strecke geblieben wie viele andere.
    Marcus hatte die Begeisterung in ihr wiedererweckt, die sie verlässlich empfand, wann immer der Gral ins Gespräch kam. Er bot ihr Fakten und dokumentierte Fälle, nicht bloß Ideen und Theorien. jeder in dem Lesungsraum bekam von ihm Grund, zu glauben, dass es den Gral wirklich gab, und Pru schenkte er sogar noch mehr, nämlich Hoffnung. An jenem Abend wurde, was einst eine auf Geschichte bezogene Faszination gewesen war, zur persönlichen Obsession.
    Prudence hatte ihn nach der Lesung angesprochen. Sie hatten über Artus, den Gral und Tintagel geredet, und als Pru die Ruinen unweit des Anwesens ihres Vaters erwähnte, in denen sie und ihre Schwestern als Kinder gespielt hatten, war Marcus Grey sehr interessiert gewesen, zumal als sie ihm von dem eingebrochenen Tunnel berichtet hatte, in dem sie glaubte, sehr alte Artefakte entdeckt zu haben. In den darauffolgenden Tagen hatte Pru jede Minute, die sie nicht in Gesellschaft der von ihrem Vater erwählten Gentlemen gewesen war, mit Marcus verbracht. Und bis zum Ende jener Woche waren sie beide überzeugt, dass die Ruinen eine nähere Inaugenscheinnahme lohnten.
    So kam es, dass Pru, wie bei allem, was sie tat, sich mit allem Enthusiasmus und aller Kraft, die sie besaß, in das Projekt gestürzt hatte. Sie hatte nicht einmal lange betteln müssen, damit ihr Vater das Land kaufte, verwöhnte er sie doch stets. Und vielleicht teilte er auch ein wenig von ihrem Enthusiasmus.
    Sie hatte sich derweil Marcus viel zu sehr zu Kopf gehen lassen, indem sie ihre Freundschaft als etwas deutete, das weit mehr wäre. Und er war natürlich viel zu sehr Gentleman gewesen, um die Situation nach ihrem leidenschaftlichen Kuss auszunutzen. Lange Zeit hatte Pru sich gefragt, ob ihre »Verfassung« schuld an seiner Zurückweisung war, aber inzwischen erkannte sie, was er sofort gesehen hatte: Sie waren unglaublich gute Freunde, aber keine Liebenden. Marcus war wie der Bruder, den sie nie gehabt hatte. Und Gott sei Dank wusste er sich besser zu benehmen als sie.
    Ebenso hatte Marcus auch die »katholische Situation« weit besser gehandhabt, als es Pru jemals gelungen wäre. Beide wollten nicht, dass Fremde in ihrem Projekt herumstocherten, nur hielt er es besser, mit ihnen zu kooperieren und wohltätig aufzutreten. Alles, was die Kirche wollte - scheinbar , war Zugang zu dem, was sie in den Ruinen fanden, und selbstverständlich war etwas so Wichtiges und Mächtiges wie der Heilige Gral am besten in den Händen von Menschen aufgehoben, die ihn respektierten und schützten.
    Entsprechend durften sie den Gral gern haben, sobald Pru Gelegenheit gehabt hatte, ihn zu benutzen. Ein Schluck, mehr verlangte sie nicht, und dann durften sie ihn fortbringen und wegschließen.
    Trotzdem war sie neugierig, wie der Vatikan überhaupt hinter ihr kleines Projekt gekommen war. Es war ja nicht so, dass sie in den Zeitungen annonciert hätte, sie wäre auf der Suche nach einem Kelch, der Krankheiten heilte und ewiges Leben garantierte.
    »Nun?«
    Pru schrak aus ihren Gedanken auf und sah ihre Schwester an. »Nun was?«
    Darauf vollführte Caroline eine Kreisbewegung mit der Hand und erklärte: »Magst du ihn oder nicht?« Sie ließ Pru den Rest für sich ergänzen.
    Diese hob beide Hände und setzte sich auf die Couch. »Nicht so, wie du denkst, nein.« Das konnte sie guten Gewissens behaupten, denn es entsprach der Wahrheit.
    Caroline öffnete den Mund, um etwas zu sagen, wurde jedoch von einem Klopfen an der Tür daran gehindert. Es war das Mädchen mit ihrem Tee, und direkt hinter ihm trat der Mann in den Salon, über den die Schwestern eben gesprochen hatten: Marcus Grey.
    Marcus war achtundzwanzig Jahre alt und eine charmante Mischung aus
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