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Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12

Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12

Titel: Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12
Autoren: Mina Hepsen
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Musik,
dass sie es gar nicht merkten.
    »Komm
zu mir, Kind«, befahl die Seherin in der alten rumänischen Sprache.
    »Was
ist, Seherin?« Die Geige locker unter den Arm geklemmt, näherte sich Violet dem
Rand der Lichtung. Ihre Kleidung dampfte in der eisigen Luft. Violet sprach die
Zigeunersprache ebenso fließend, wie sie den Romano Kheliben, den Tanz der
Freiheit und des Lebens, beherrschte.
    »Du
wirst uns verlassen«, erklärte die Seherin, so be stimmt, dass jeder Widerspruch
zwecklos war. Violet ver suchte es auch gar nicht. Sie atmete prüfend ein. Un ver traute Gerüche drangen in ihre feine
Nase, Gerüche, die sie davon überzeugten, dass ihr Abschied von den Zigeunern unmittelbar bevorstand.
    »Allein?«,
fragte sie, so gleichmütig sie konnte. Sie durfte jetzt keine Angst zeigen, die
Seherin erwartete von ihr, dass sie mutig war. Immer wieder hatte die Altere
ihr eingeschärft, sich nicht durch ihre Blindheit behindern zu lassen. Das, was
ihr fehlte, musste sie durch Mut und Scharfsinn wettmachen.
    »Ja.«
    Violet
krallte ihre freie Hand in ihren Wollrock und holte tief Luft. Sie roch die
Zigeuner, die hinter ihr ums Lagerfeuer tanzten, sie roch die Eule, die in
einem Baum hockte, roch das Wasser des Bachs, der unweit des Lagers durch sein
steiniges Bett plätscherte. Und dann roch sie die neuen, unvertrauten
Gerüche... Pferde, Holz, Farbe. Ein Wohnwagen. Mindestens einer. Wahrscheinlich
ein ganzer Zug, der sich dem Zigeunerlager näherte. Violet konnte den Staub,
die Erde und das Laub riechen, das durch die Räder aufgewirbelt wurde.
    »Sind
es Zigeuner?«
    »Nein,
aber sie werden dich dorthin bringen, wo du hinwillst. Schnuppere noch einmal.«
    Violets
Kehle war vor Angst wie zugeschnürt, aber sie kämpfte die aufsteigende Panik
nieder und holte gehorsam tief Luft. Die Seherin hatte ihr beigebracht, ohne
Augen zu sehen. Sie hatte vorhergesagt, dass sie eines Tages ebenso gut mit der
Nase sehen würde, wie andere Leute mit den Augen. Und sie hatte recht behalten.
    Die
Dunkelheit war kein Ort der Furcht mehr für Violet.
    Schneeflocken
fielen auf ihre Wimpern, während sie witternd die Nase hob. Erde, Blätter,
Bäume, der Bach, Pferde, Holz, Farbe, Heu - aber was war das? Ein süßlicher
Geruch. Parfüm. Ein Frauenparfüm. Und Puder, Rouge, Leder ... altes Leder und
Metall. Jede Menge Metall.
    »Da
ist etwas, es ist von Metall umgeben. Das habe ich noch nie gerochen.«
    Die
Seherin lächelte. Sie hätte es nie zugegeben, aber sie bewunderte die junge
Frau. Bewunderte ihren Mut, ihre Begabung und das, was sie in der Zukunft noch
erreichen würde. Nichtsdestotrotz hatte die Seherin die Reise nach Schottland
nicht um der jungen Frau willen gemacht. Ihr Sohn war es, der Sohn, den sie
einmal gebären würde, um dessentwillen sie sich des Mädchens angenommen hatte.
Ein Sohn, der zu Großem bestimmt war.
    »Löwen«,
antwortete die Seherin nach sekundenlangem Schweigen.
    Violet
hob die zarten Brauen.
    »Löwen
sind gefährlich«, flüsterte sie.
    Diesmal
lächelte die Seherin nicht. Violet hatte keinen Grund, die Löwen zu fürchten,
aber andere Gefahren erwarteten sie auf ihrer Reise. Ja, die junge Frau würde
diesen Gefahren trotzen müssen. Und am Ende dem Tod gegenübertreten ...
    Aber
das alles lag noch in der Zukunft.
    »Sie
werden gleich da sein«, sagte Violet, und für einen Moment bröckelte die
tapfere Fassade, als sie unbewusst den Ring umklammerte, den sie an einer Kette
um den Hals trug.
    »Vergiss nicht, Violet: In deinem Leben ist kein Platz für Furcht .« Die Seherin berührte
kurz den Arm des Mäd chens , zog ihre Hand aber sogleich wieder
zurück. »Geh, hol deinen Mantel, mach rasch. Der Zirkus ist nach Süden unterwegs. Du kannst mit ihm nach London reisen. Dort wirst du den Mörder deines Vaters
finden.«
    Violets
Herz krampfte sich zusammen vor Wut und Kummer, wie immer, wenn von dem Mörder
ihres Vaters die Rede war. Ohne zu zögern rannte sie zum Lager zu rück , wobei sie Hindernissen allein
mittels ihres scharfen Geruchssinns mühelos auswich. Als ihr der Duft eines
bestimmten Beerenstrauchs in die Nase stieg, wusste sie, dass sie ihr Ziel
erreicht hatte. Sie umrundete den Busch, hob den Arm und tastete nach dem
Riegel des Wohnwagens, den sie sich mit der Seherin teilte.
    »Violet?«
    Es
roch nach Äpfeln. Und nach Boris. Violets Lippen zuckten; ihr Zigeunerbruder
war immer hungrig. Doch ihr Lächeln erlosch, als ihr klar wurde, dass sie auch
ihn nun verlassen musste. Dass sie
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