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Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen

Titel: Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Autoren: Mina Hepsen
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amerikanischen Tante aufgewachsen und nach Schottland gekommen, um die Geister ihrer toten Eltern zu suchen. Und so war aus ihr Madame Foulard, das Medium geworden.
    »Ich komme sofort!«, drang die Stimme der Frau aus der Gegensprechanlage.
    »Klingt nett«, bemerkte Liam. Kurz darauf stieß er einen anerkennenden Pfiff aus. »Sie kommt grade die Treppe runter. Mann! Die ist ein richtiger Hingucker!«
    Lea verdrehte die Augen. Sicher hatte Liam mal wieder den Kopf durch die Eingangstüre gesteckt. »Still jetzt.«
    »Wieso denn? Sie kann mich doch sowieso nicht hören«, brummte Liam.
    Das stimmte natürlich, aber er sollte ja auch nicht wegen Mrs. Bilen still sein. Lea war seltsam nervös, und es kam gelegentlich vor, dass sie vergaß, vor anderen Leuten nicht auf Liams freche Bemerkungen zu antworten. Sie umkrallte den Christbaumschmuck, mit dem sie sich aufgetakelt hatte, und verdrehte die zahlreichen Ketten.
    »Was ist?«, fragte Liam mit leiser Überraschung in der Stimme. Er musste bemerkt haben, wie nervös sie war, aber Lea wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war normalerweise nie nervös bei diesen Seancen. Aber heute empfand sie eine unerklärliche Spannung, eine Art Vorahnung ... Ihr Magen zog sich zusammen. Was ist bloß los mit mir?, fragte sie sich alarmiert.
    Bevor sie noch weiter darüber nachdenken konnte, flog die Türe auf.
    »Bitte entschuldigen Sie, Madame Foulard, dass ich Sie so lange draußen in der Kälte habe stehen lassen!«
    Mrs. Bilen bat sie mit einer anmutigen Geste herein. Die Frau war tatsächlich ein »Hingucker«, wie Liam sich ausgedrückt hatte, fand Lea. Und sie hatte glücklicherweise keinerlei Ähnlichkeit mit den gelangweilten Society-Matronen, von denen sie so oft gerufen wurde. Leas Magen entkrampfte sich ein wenig.
    »Das macht doch nichts, Mrs. Bilen. Schön, dass wir uns endlich sehen.«
    »Ach, bitte nennen Sie mich Victoria!«, meinte ihr Gegenüber lächelnd.
    Lea nickte und schaute sich im Foyer um. Rechts und links führten zwei breite Flügeltüren aus dunklem Eichenholz zu den Räumen im Erdgeschoss. Gegenüber schwang sich eine eindrucksvolle Treppe in die oberen Geschosse hinauf. Von der hohen Decke hing ein kostbarer Kronleuchter. Der Boden war mit lachsfarbenen Marmorfliesen ausgelegt, die sicher aus Italien stammten.
    »Wie gesagt, tolle Hütte«, bemerkte Liam direkt neben ihrem Ohr. Lea zuckte unwillkürlich zusammen, hatte sich aber sogleich wieder im Griff.
    »Victoria, haben Sie einen Tisch für mich vorbereitet?«, fragte sie. Sie hoffte, sich einen Moment hinsetzen zu können, bevor sie begann. Ihre Nerven flatterten noch immer.
    Victoria bedeutete ihr zu folgen. »Selbstverständlich! Es ist oben, im ersten Stock. Ich habe alles genau so gemacht, wie Sie gesagt haben. Den Wein habe ich auch schon aufgemacht.«
    Lea nickte nur. Sie hatte festgestellt, dass es am besten war, so wenig wie möglich zu sagen und nur in kurzen, knappen Sätzen zu sprechen. Das war überzeugender. Die Fantasie der Leute tat dann den Rest und nahm ihr die Arbeit ab. Jeder hatte so seine Vorstellungen über Geister und Geisterseher.
    »Es sind noch drei im Haus«, sagte Liam ihr ins Ohr, während sie die Treppe hinaufgingen.
    »Was? Drei?«, flüsterte Lea erschrocken.
    Es gab jede Menge Geister in Edinburgh - immerhin war dies die Stadt der Toten. Aber gleich drei davon in einem Haus? So etwas hatte sie noch nie erlebt. Waren hier drei Leute gestorben, ohne ihre weltlichen Angelegenheiten in Ordnung bringen zu können? Natürlich kam es vor, dass Geister sich an Menschen hängten, es konnte daher sein, dass einer davon mit Mrs. Bilen eingezogen war, aber zwei andere, die bereits da gewesen waren? Das konnte sich Lea kaum vorstellen.
    »Nein, keine Geister, Lebende«, stellte Liam klar. »Zwei Männer und noch eine Blondine. Auch so ein Hingucker.
    Sie und Victoria sehen sich ähnlich, aber die andere hat längere Beine, und ...«
    »Das reicht!«, zischte Lea.
    Victoria drehte sich auf der Treppe um. »Haben Sie etwas gesagt, Madame Foulard?«
    »Ich fragte mich nur gerade, wer wohl die anderen drei sind? Die beiden Männer und die Frau? Ich hatte doch gesagt, es wäre mir lieber, wenn wir unter uns wären?«
    Lea gab sich alle Mühe, sich nicht unter ihrer Perücke zu kratzen. Gott, wie das Ding juckte! Sie musste sich unbedingt eine neue zulegen.
    Victoria starrte sie erstaunt an, dann schaute sie unwillkürlich nach oben, zum Kopf der Treppe, um zu sehen, ob die
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