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Unser sechzehntes Jahr (German Edition)

Unser sechzehntes Jahr (German Edition)

Titel: Unser sechzehntes Jahr (German Edition)
Autoren: Nancy Salchow
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wäre ich ein Baby?" Sie sucht nach Worten. "Gehöre ich nicht zu dieser Familie? Habe ich nicht auch verdient, dass man mich in alles einbezieht? Immer hör ich nur, wir machen uns Sorgen und pass auf dich auf . Aber wenn es ans Eingemachte geht, packt man mich in Watte."
    "Geht es noch immer darum, dass du glaubst, wir würden dich weniger lieben als…" Ich stocke.
    "Genau das meine ich, Mama. Du kannst ja noch nicht mal ihren Namen sagen. Ich hab gedacht, dass es jetzt endlich weitergeht. Wir haben so viel geredet neulich. Du hast sogar von früher gesprochen. Und ich dachte: Wow, jetzt geht’s endlich los. Jetzt fängt sie endlich an, über damals zu sprechen. Aber die Wahrheit ist, dass du es nur gesagt hast, um mich ruhig zu stellen." Sie springt vom Bett auf. "Gerade mal soviel, damit die kleine Nathalie zufrieden ist. Und hinter meinem Rücken gehst du dann zu diesem Typen, um sicherzustellen, dass er mir nicht noch mehr verrät."
    Sie wendet mir wütend den Rücken zu, um dann doch wieder herumzufahren. "Gib’s zu, Mama. Du hattest gar nicht vor, mir mehr zu erzählen. Nur so viel, dass ich mich wieder einkriege. Richtig?"
    "Das ist nicht wahr, Nathalie." Noch während ich die Worte ausspreche, merke ich, dass sie gelogen sind.
    "Nicht wahr? Und warum behandelt ihr mich dann, als gehör t e ich nur zu einem Teil der Familie? Nur zu dem Teil, in dem alles schön ist."
    "Glaub mir, Nathalie. Du möchtest kein Teil der Vergangenheit sein."
    Sie rennt aus dem Zimmer. Gerade als ich ihr nachlaufen will, kommt sie mit einem Album zurück, das sie wütend aufs Bett schmeißt. "Siehst du. Das ist es, was ich meine. Ihr versteckt alle Hinweise auf euer erstes Leben außerhalb des Hauses, nur damit ja nichts passieren kann."
    Mein Blick fällt auf den dunkelroten Einband des Albums. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ihn das letzte Mal berührt habe.
    "Wo hast du das her?", frage ich.
    "Es ist doch ganz egal, wo ich es herhabe. Jetzt ist es jedenfalls hier. Hier im Haus. Wo es hingehört. Bei unserer Familie. Und da gehör ich nun mal auch dazu. Ich hab es satt, ständig von allem ferngehalten zu werden."
    Ich lege meine Hand auf das Album, ohne zu antworten. Ich verdränge den Gedanken, es aufzuschlagen. Und doch habe ich jedes Bild darin vor Augen. Unser letzter gemeinsamer Urlaub. Teneriffa. Armin, Fiona und ich.
    "Was ist los, Mama? Hat es dir die Sprache verschlagen?"
    Ich suche nach Worten. Sind es zu viele? Zu viele Worte? Zu viele Gedanken, die mir in den Sinn kommen? Und welche davon sind die richtigen?
    Ich schweige.
    "Mama." Ihr Tonfall wird energischer.
    "Es tut mir leid, Nathalie", sage ich leise. "Dass du gedacht hast, wir würden dich weniger lieben oder weniger als Teil dieser Familie ansehen, nur weil du nach einer Zeit geboren bist, die nichts mit dir zu tun hat."
    Ich senke den Blick. "Aber die Wahrheit ist, dass du alles für uns bist, Nathalie. Mehr als du dir vorstellen kannst. Und der Gedanke, dass du glauben könntest, wir schließen dich aus, ist mir unerträglich."
    Ich weiß, dass ich mehr sagen müsste. Dass ich sie beruhigen müsste. Dass es meine Aufgabe wäre, ihr zum tausendsten Mal zu erklären, dass die Vergangenheit nichts mit unserer Liebe für sie zu tun hat. Doch zwischen uns scheint etwas zu stehen, das ich nicht zu überqueren weiß. Wie oft muss ich es ihr erklären, bis sie es glaubt? Und wie oft, bis ich es selber tue?
    Ich streiche mit der Hand über den Einband des Albums.
    "Mama." Der Ton in ihrer Stimme wird sanfter. Sie scheint meine plötzliche Resignation bemerkt zu haben. "Du musst keine Angst davor haben."
    Ihr Verständnis irritiert mich. Typische Eigenschaften eines Teenagers? Wut wird zu Feinfühligkeit innerhalb weniger Sekunden?
    "Ich habe keine Angst", antworte ich, darum bemüht, ihr das zu sagen, was sie hören möchte.
    "Was ist es dann?"
    "Wir können reden, Nathalie. Wann immer du willst. Und worüber du willst. Aber bitte hör auf zu denken, dass wir dich bewusst ausschließen."
    Sie setzt sich wieder neben mich aufs Bett. "Warum bist du dann zu diesem Typen gegangen?"
    "Weil ich mir Sorgen gemacht habe. Das hab ich dir doch schon erklärt. Und weil ich wollte, dass du nicht mehr zu ihm gehst, sondern zu uns kommst, wenn du etwas wissen möchtest."
    "Aber das hatten wir doch längst geklärt", sagt sie. "Ich geh nicht mehr zu diesem Typen. Wie oft muss ich es noch sagen, bis ihr es mir glaubt?"
    Ich nehme ihre Hand. "Ich will es dir ja glauben,
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