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Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Titel: Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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gehört noch zu den geringsten Meriten dieses wundervoll wirksamen Theaterstücks. Die Episoden und ihre Entfaltung tragen den Stempel höchster Meisterschaft, so dass das Ganze eines der wichtigsten Beiträge der Gegenwart nicht allein zur Dramatik, sondern zur allgemeinen Literatur überhaupt bildet. A NICHT AT AN INN berichtet von vier Dieben, die dem ungeheuerlichen Hindugott Klesh das Smaragdauge gestohlen haben. Sie locken die drei priesterlichen Rächer, die ihnen auf der Spur sind, in ihr Zimmer, und es gelingt ihnen dort, ihre Verfolger zu erschlagen; aber des Nachts kommt Klesh und sucht tastend nach seinem Auge; als er es gefunden hat, verschwindet er wieder und ruft die Räuber einzeln in die Dunkelheit heraus, wo einen jeden eine namenlose Strafe ereilt. In THE LAUGHTER OF THE GODS steht eine dem Verhängnis geweihte Stadt am Rande des Dschungels, wo nur jene das geisterhafte Spiel eines Lautenschlägers vernehmen, die vom Tode gezeichnet sind. (Vgl. auch Alices geisterhaftes Cembalo in Hawthornes THE HOUSE OF THE SEVEN GABLES); THE QUEEN'S ENEMIES wiederum erzählt die von Herodot berichtete Anekdote einer rachsüchtigen Prinzessin, die ihre Widersacher zu einem unterirdischen Bankett lädt und sie dann in den einströmenden Fluten des Nils ertrinken lässt. Doch kein Maß an bloßer Beschreibung vermag es, mehr als nur einen Bruchteil von Lord Dunsanys allgegenwärtigem Zauber zu vermitteln. Seine prismatisch schillernden Städte und seine noch nie da gewesenen Riten kennzeichnet eine Sicherheit, wie sie allein Meisterschaft erzeugen kann, und das Gefühl tatsächlicher Teilnahme an seinen heimlichen Mysterien lässt uns schaudern. Für wahrhaft phantasierende Menschen ist er ein Talisman, ein Schlüssel, der das Tor zur reichen Schatzkammer des Traumes und der versprengten Erinnerungen öffnet, so dass wir ihn nicht nur einen Dichter nennen können, sondern ihn auch für einen Autor halten dürfen, der jeden Leser ebenfalls zum Dichter macht.
    Lord Dunsany gegenüber steht am anderen Pol des Genius der gelehrte Montague Rhodes James, Provost des Eton College, Altertumskenner von Ruf und anerkannte Autorität auf dem Gebiet mittelalterlicher Handschriften und der Geschichte der Kathedralen, der über die Gabe verfügt, mit fast diabolischer Macht das Grauen in kleinen Schritten aus der Mitte des prosaischen Alltagslebens herbeizurufen. Dr. James, der schon seit langem zur Weihnachtszeit gern Geistergeschichten erzählt hat, ist nach und nach in der Literatur des Unheimlichen zum Erzähler aller ersten Ranges geworden, wobei er einen spezifischen Stil und eine charakteristische Methode entwickelt hat, die einer fortwirkenden Schar von Schülern wahrscheinlich als Vorbild dienen wird. Die Kunst des Dr. James ist keineswegs ein Produkt des Zufalls, und im Vorwort zu einer seiner Sammlungen hat der Autor drei sehr vernünftige Regeln für das Schreiben von Gruselgeschichten formuliert. Eine Geistergeschichte, so glaubt er, müsse im vertrauten Rahmen der Jetztzeit angesiedelt sein, damit sie der Erfahrungssphäre des Lesers sehr nahe komme. Darüber hinaus sollten die gespenstischen Phänomene eher böser als gütiger Natur sein, da nämlich ANGST die Empfindung sei, die vor allem erregt werden soll. Und schließlich sei das technische Kauderwelsch des »Okkultismus« oder der Pseudo-Wissenschaft sorgfältig zu vermeiden, damit der Zauber beiläufiger Wahrscheinlichkeit nicht erstickt werde in nicht überzeugender Pedanterie.
    Dr. James, der das, was er predigt, auch praktiziert, geht seine Themen in sehr leichter Form, oftmals im Konversation an. Er erschafft die Illusion alltäglicher Vorkommnisse, um dann seine abnormen Phänomene vorsichtig und allmählich einzuführen; diese nun werden an jeder Ecke gemildert durch Tupfer anheimelnder und prosaischer Details, bisweilen aber auch mit ein oder zwei Prisen Altertumswissenschaft gewürzt. Da er sich der engen Beziehung zwischen gegenwärtiger Unheimlichkeit und gewachsener Tradition bewusst ist, liefert er gewöhnlich für seine Ereignisse entfernte historische Präzedenzfälle, und so ist er imstande, seine unerschöpflichen Kenntnisse der Vergangenheit und seine abrufbereite und überzeugende Beherrschung der archaischen Diktion und Färbung passend zu nutzen. Der Lieblingsschauplatz für eine James-Geschichte ist eine jahrhundertealte Kathedrale, die der Verfasser mit all der präzisen Vertrautheit eines Fachmanns auf dem Gebiet beschreiben
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