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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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einigermaßen gut mit den Nachbarn, obwohl sie häufig ziemlich laut waren, und trotz des unsympathischen Kleinkindes, das sie insgeheim immer nur Krötengesicht nannte.
    »Was ist los, Harley?«, fragte sie. Im vergangenen Jahr hatte Harley ihr geholfen, ihre miserablen Fahrkünste zu verbessern. Er hatte ihr ein paar von seinen Kumpeln abgeschaute Tricks beigebracht; die Jungs machten gern ab und zu Spritztouren mit gestohlenen Autos.
    »Nichts«, antwortete er. Vielleicht lag es nur am nahenden Ende der Ferien. Kate konnte sich nicht vorstellen, dass Harley viel für geistige Arbeit übrig hatte.
    Doch ehe sie sich endgültig Richtung Innenstadt wandte, fragte sie ihn: »Ach, übrigens, Harley, wie heißt ihr eigentlich mit Nachnamen?«
    »Was war das? Sie wohnen seit vier Jahren hier. Kennen Sie echt unseren Nachnamen nicht?«
    Sie konnte ihm wohl kaum erklären, dass sie ihre Nachbarn bei sich immer nur Familie Krötengesicht genannt hatte. Daher schüttelte sie nur den Kopf.
    »Wir heißen Venn«, sagte er. »Wie das Diagramm.« Also doch nicht Krötengesicht. Jedenfalls hatte sie den Eindruck, in den nachbarschaftlichen Beziehungen einen Schritt weitergekommen zu sein.
    »Tschüss dann«, verabschiedete sie sich und machte sich auf den Weg. Dabei fragte sie sich kurz, was Harley mit Diagramm gemeint hatte. Harley hatte den Kopf wieder auf die Brust sinken lassen und bearbeitete das Mäuerchen mit seinen Absätzen.

    In der August-Schwüle herrscht immer noch gereizte Stimmung. Die Telefondrähte in Oxford glühen, weil hohe Temperaturen und übermäßige Luftfeuchtigkeit unterdrückte Gefühle zu entfesseln vermögen.
    »Hör mir doch wenigstens zu, Chris! Verstehst du nicht, dass ich mich wie in einer Falle fühle? Du musst das doch begreifen. Mir ist, als liefe ich einen schmalen, auf beiden Seiten eingezäunten Pfad entlang, der geradenwegs auf eine steile Felsenkante zuführt.«
    »Nein. Das ist einfach lächerlich!«
    »Könnten wir nicht wenigstens darüber reden? Uns etwas einfallen lassen?«
    »Hast du den Eindruck, dass ich schuld daran bin?«
    »Ich mache dir keinerlei Vorwürfe, Chris.«
    »Das finde ich schon!«
    »Sprich nicht so mit mir. Ich weiß, am liebsten würdest du jetzt auflegen. Aber du musst mir zuhören! Wir müssen etwas tun! Wir müssen etwas verändern. So geht es nicht mehr weiter!«
    »Ach ja? Warum musst du nur immer so übertreiben? Ich finde, du benimmst dich hysterisch.«
    »Ich will dich nur warnen. Ich kann einfach nicht mehr.«
    »Immer mit der Ruhe. Vielleicht solltest du dir erst einmal einen Kaffee machen.«
    »Sei nicht so herablassend. Wir treffen uns zum Mittagessen, und dann reden wir.«
    »Tut mir Leid, aber Mittagessen schaffe ich nicht. Ich habe eine Verabredung.«
    »Mit wem? Könnte ich nicht dazukommen?«
    »Ich treffe mich mit dem Verwalter. Es wird sicher schrecklich langweilig und würde dir bestimmt nicht gefallen. Außerdem geht es um dienstliche Angelegenheiten; für persönliche Dinge bleibt da keine Zeit, das kannst du mir glauben.«
    »Dann heute Abend?«
    »Ja, sicher. Natürlich!«
    »Bis dann.«
    »Bis heute Abend. Tschüss.«
    Er findet, dass er die Sache ganz gut über die Bühne gebracht hat. Noch ein auf später vertagtes Problem, denkt er.
    Doch unglücklicherweise täuscht er sich. Für ihn wird es kein ›Später‹ mehr geben.

    Kate schlenderte durch den Covered Market, kaufte an einem Obststand ein Pfund Äpfel und ging dann weiter die Turl Street hinunter. Viele Blicke folgten ihr. Sie begutachtete jedes gebundene Notizbuch in der Stadt. Eines war zwar wirklich hübsch, hatte aber nicht die richtigen Maße. Eines war groß genug, und das Papier war dick und glänzend, doch leider fehlten die Linien. Kate ging die High Street entlang in Richtung Magdalen Bridge. Immer noch hatte sie nichts Passendes gefunden. Du vergeudest einen geradezu perfekten Arbeitstag, schalt sie sich. Doch der Himmel war blau, die Sonne schien warm, und es tat ihr gut, ausnahmsweise einmal einen Tag zu vertrödeln.
    Unmittelbar vor der Magdalen Bridge wechselte sie die Straßenseite und blieb vor einem weiteren Schreibwarengeschäft stehen. Der Bürgersteig war an dieser Stelle sehr eng. Ständig wurde Kate von Passanten angerempelt, die entweder darauf warteten, die Straße überqueren zu können, oder in Richtung Innenstadt hasteten.
    Mit Kameras behängte Touristen, die nur Augen für das schönste Oxford-Motiv hatten, traten ihr auf die Füße. Kate achtete
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