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Ungeahnte Nebenwirkungen

Ungeahnte Nebenwirkungen

Titel: Ungeahnte Nebenwirkungen
Autoren: Victoria Pearl
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nicht misshandelt oder ausgenutzt, doch wir bekamen wahrscheinlich auch nicht die Zuwendung, die wir gebraucht hätten. Aber wenn du nicht weißt, was dir fehlt, kannst du es nicht vermissen, darum dachte ich auch nie, dass ich auf etwas verzichten müsste«, begann Nicole, nachdem sie sich so zurechtgesetzt hatte, dass sie zwar möglichst nahe bei Mirjam war, sie jedoch nicht berührte.
    Mirjams stahlblaue Augen durchbohrten Nicole, der Blick drang tief in ihr Herz, von dem sie geglaubt hatte, es für immer verloren zu haben. Nicole hielt dem Blick stand und nahm den Faden ihrer Ausführungen wieder auf, die sich wahrscheinlich noch ewig hinziehen würden, wenn sie weiterhin um den heißen Brei herumredete.
    »Bei euch muss das Familienleben ganz anders gewesen sein«, vermutete Nicole nicht ganz ohne Wehmut.
    Mirjam nickte bestätigend. In ihren Augen erkannte Nicole einen kleinen, warmen Funken, der schüchtern zu glimmen begonnen hatte.
    Von ihrer Beobachtung ermutigt, fuhr sie fort: »Als ich erstmals von Michaela hörte, lag es für mich auf der Hand, dass dies eine Geliebte von dir sein musste, denn du hast mir ja gesagt, dass du nur einen Bruder hast. Von einer Schwester war nie die Rede – obwohl, wenn ich genauer hingehört hätte, wäre ich draufgekommen.
    Jedenfalls setzte sich in mir dieses vermeintliche Wissen fest und wurde durch das Bild in deiner Wohnung nur noch zementiert. Du und Michaela seht euch wirklich zum Verwechseln ähnlich. Ich war derart sicher, mit meiner Vermutung richtig zu liegen, dass ich die Hinweise auf Michaelas wahre Identität, die du mir gegeben hast, und die ich auch von Alice bekam, nicht beachtete.
    Ich habe mich in meine Eifersucht hineingesteigert, die schließlich dazu führte, dass ich dich verletzt habe und von dir etwas ganz und gar Unmögliches verlangte.« Nicole schwieg erschöpft.
    Es war eine lange Rede gewesen. Dennoch zweifelte Nicole daran, dass sie ihre Motive, die ihre unverzeihlichen Reaktionen hervorgerufen hatten, wirklich einsichtig hatte vermitteln können.
    »Woher kommen diese plötzlichen Einsichten?« fragte Mirjam skeptisch. Ihre Stimme klang eine Spur heiserer als gewohnt, doch sie zitterte nicht.
    Sie hat ja recht, dachte Nicole ergeben, wieso soll sie mich wieder in ihr Vertrauen aufnehmen? Sie hatte Mirjam mit ihrer Eifersucht offenbar eine Verletzung zugefügt, die diese nicht vergessen würde. Da hörten sich ihre Begründungen wohl wie lasche Ausreden an. Was blieb ihr anderes übrig, als sich selbst anklagend weiter zu erniedrigen?
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe«, begann Nicole ihre Entschuldigungsrede fortzuführen. »In dem Moment, in dem ich von dir verlangte, dich zu entscheiden, wusste ich, dass ich zu weit, viel zu weit gegangen war. Ich versuchte mich zu bremsen, ich schaffte es nicht!«
    So wenig, wie ich es jetzt schaffe, dir zu sagen, weshalb ich eigentlich hier bin, fügte Nicole in Gedanken hinzu. Gab es denn keinen einfachen Satz, der alles klärte, die Vergangenheit auslöschte? dachte sie verzweifelt. Ständig verirrte sie sich in Details, die im Grunde nichts mit ihren Gefühlen zu Mirjam zu tun hatten. Vielleicht, überlegte Nicole leicht irritiert über diesen seltsamen Gedanken, habe ich ihr zu oft und vor allem viel zu früh gesagt, dass ich sie liebe?
    Nicole hob den Blick, suchte in Mirjams Augen nach der Antwort auf ihre Frage, doch die blauen Kristalle blickten sie nur abwartend und weiterhin ziemlich kritisch an. Mirjam würde ihr den Gang nach Canossa nicht erleichtern.
    Nicole entschied, bei der Chronologie der Ereignisse zu bleiben. Vielleicht fielen ihr dann die richtigen Worte ein, die dieser elenden Situation endlich ein Ende bereiten würden.
    »Ich versuchte dich telefonisch zu erreichen, als mir klar wurde, wie unmöglich ich mich benommen hatte, doch du hast nie auf meine Nachrichten reagiert. Dann suchte ich deine Wohnung auf, aber du warst nie zu Hause. Schließlich schrieb ich dir Briefe, dutzendweise, in denen ich dich um Verzeihung bat, aber auch auf die erhielt ich keine Antwort«, erklärte sie Mirjam.
    »Weiter«, befahl die Zahnärztin emotionslos. Sie rechtfertigte weder ihr Schweigen noch ihre überstürzte Flucht nach Neuseeland.
    Nicole seufzte schon wieder. Sie würde zu einem späteren Zeitpunkt an ihren Lautäußerungen arbeiten müssen, denn sie verrieten ihre Unsicherheit allzu deutlich.
    »Ich konnte das Schweigen nicht mehr aushalten«, fuhr Nicole
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