Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Undead 01 - Weiblich, ledig, untot

Undead 01 - Weiblich, ledig, untot

Titel: Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
Autoren: Mary Janice Davidson
Vom Netzwerk:
kam ich zu Hamton & Sons. Dort war mein Job gefährlich und aufregend. Aufregend, weil man sich immer fragte, ob genug Geld da wäre, um die Rechnungen zu bezahlen. Gefährlich, weil ich immer kurz davor stand, meinen Boss zu erwürgen und wegen Totschlags verhaftet zu werden. Dreifachen Totschlags, falls die Broker auf die Idee gekommen wären, sich zwischen uns zu stellen.
    Alle klagen über ihren Boss. Das gehört zum amerika-nischen Lebensstil. Aber mir war es ernst: Ich hasste ihn wirklich. Schlimmer noch, ich respektierte ihn nicht. Und an manchen Tagen fragte ich mich, ob er nicht verrückt war.
    Zum Beispiel letzte Woche, das war mal wieder typisch.
    Ich kam pünktlich zur Arbeit (so gerade noch) und traf schon am Eingang auf verschreckte Broker, die in einem Moment der Unachtsamkeit den Kopierer kaputt gemacht hatten. Den nagelneuen Kopierer. Broker sind wie unge-zogene Kinder, die man nicht allein lassen kann. Kleine, kettenrauchende Kinder.
    »Er geht nicht«, teilte mir Todd, der Leiter der Broker-Truppe, mit. »Wir müssen ihn zurückschicken. Ich habe Ihnen gesagt, wir brauchen keinen neuen Kopierer.«
    12

    »Der alte war ständig überhitzt. Die Kopien waren braun und rochen nach Rauch. Was haben Sie gemacht?«, fragte ich und hing meinen Mantel auf.
    »Nichts. Ich habe kopiert, dann hat’s gescheppert. Und dann passierte nichts mehr.«
    »Was – haben – Sie – gemacht?«
    »Na ja . . . Ich habe versucht, ihn zu reparieren. Ich wollte Sie nicht damit behelligen«, fügte er eilig hinzu, als er Mordlust in meinen Augen sah.
    Er suchte hastig das Weite, aber ich griff nach seinem Arm und zerrte ihn zurück zum Kopierer. Die Maschine machte ein beunruhigendes Geräusch, so als schnappte sie mühsam nach Luft. Ich zeigte auf ein großes Plakat an der Wand.
    »Lesen Sie das.«
    »Betsy, ich bin wirklich sehr beschäftigt. Die Börse hat gerade geöffnet und . . . ja, ja, schon gut . . . nicht kneifen.
    Da steht ›Falls irgendetwas schiefläuft, rufen Sie Betsy oder Terry‹. Zufrieden?«
    »Ich wollte nur sichergehen, dass Sie das Lesen nicht verlernt haben.«
    Ich ließ seinen Arm los, konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, ihn noch einmal feste zu kneifen. »Hauen Sie ab. Ich kümmere mich darum.«
    Zwanzig Minuten und einen ruinierten Rock später (blöder Toner!) lief der Kopierer wieder. Ich sah meine Post durch, musste feststellen, dass wieder einmal eine Mahnung vom Finanzamt darunter war, und marschierte schnurstracks in das Büro meines Chefs. Der glotzte mich mit den leeren Augen eines Wahnsinnigen 13

    an. Vielleicht lernte man diesen Blick ja auch im Be-triebswirtschaftsstudium. Ich fuchtelte mit dem Brief vor seiner Nase herum: »Das Finanzamt hat immer noch nicht – immer noch nicht! – unsere Lohnsteuerabrechnung erhalten!«
    »Damit kann ich mich im Moment nicht beschäftigen«, sagte Tom gereizt. Er war kleiner als ich, was ihn sehr ärgerte, und rauchte Kette, als stünde Rauchen demnächst unter Strafe. In Minnesota ist es strikt verboten, in geschlossenen Räumen zu rauchen. Sein Büro aber roch immer wie ein Aschenbecher. »Wir reden darüber, wenn die Börse geschlossen hat.«
    »Tom, wir sind mit den Zahlungen fast ein Jahr im Rückstand! Das Geld gehört unseren Angestellten. Wir schulden es dem Staat! Davon haben Sie doch schon gehört? Steuern, Staat? Es ist nicht dazu da, unsere Rechnungen zu bezahlen.
    Wir müssen jetzt schon mehr als hunderttausend Dollar nachzahlen!«
    »Wenn die Börse schließt«, sagte er und wandte sich wieder seinem Computer zu. Wegtreten, Betsy! Natürlich würde er um drei Uhr nachmittags fluchtartig das Büro verlassen, um jedem lästigen Gespräch mit mir aus dem Weg zu gehen.
    Ich stampfte aus dem Zimmer. Es verging nicht ein Tag, an dem Tom nicht irgendetwas Hinterhältiges tat. Er betrog unsere Kunden, belog die Angestellten oder verfügte über deren Geld, ohne sie darüber zu informieren. Wenn es aufflog, schob er es mir in die Schuhe. Er besaß die unheimliche Gabe, Leute von seiner Unschuld zu überzeugen. Ich muss zugeben, das machte ihn zu einem genialen Verkäufer.
    14

    Sogar ich war schon oft auf seine Begeisterungsfähigkeit hereingefallen. Und ich kannte ihn!
    Ich hasste es, den Vollstrecker zu spielen und Abmah-nungen zu schreiben, während er die Gehaltserhöhungen verkünden durfte. Tom übernahm nur solche Aufgaben, die Spaß machten. Und ich hasste es, wenn ich seine Kunden anlügen musste, nette Menschen, die keine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher