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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn.
Autoren: Elizabeth George
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daß er gehen wolle – ebenso Matthew, der, ganz der Manager, argumentiert hatte, es würde keinen guten Eindruck machen, wenn der Held des Abends vorzeitig die Party verließe. David jedoch hatte sich auf Erschöpfung und überreizte Nerven berufen, und Matthew und Virginia hatten das akzeptiert. Er hatte ja wirklich seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen, sein Gesicht war fahl, und sein V erhalten während der V orstellung – die Unfähigkeit stillzusitzen, der ständige Drang, aufzustehen und in der Loge umherzugehen – hatte bereits gezeigt, daß er am Ende seiner Kräfte war.
    In der einen Hand ein Glas Wodka, Daumen und Zeigefinger der anderen gegen seine Augenbrauen gedrückt, hüllte er sich in Schweigen, während Ginny mehrmals versuchte, ihn in ein Gespräch zu ziehen. Sie meinte, sie sollten sich nach den langen Jahren harter Arbeit einen Urlaub gönnen. Sie sprach von Rhodos, Capri und Kreta. Oder gewiß wäre auch Venedig schön, wenn sie abwarteten, bis sich im Herbst die Horden von Touristen, die die Stadt im Sommer unerträglich machten, verzogen hätten.
    An ihrem künstlich munteren Tonfall merkte David, daß seine Verschlossenheit sie zunehmend beunruhigte. Und in Anbetracht ihrer gemeinsamen Geschichte – sie war seine zwölfte Geliebte gewesen, bevor er sie zu seiner fünften Frau gemacht hatte – hatte sie guten Grund zu vermuten, daß sein Zustand mit Premierennervosität, Erschöpfung nach dem Triumph oder Furcht vor kritischen Reaktionen auf sein Werk nichts zu tun hatte. Die vergangenen Monate waren für ihre Beziehung sehr belastend gewesen, und sie wußte sehr wohl, was er in seiner letzten Ehe unternommen hatte, um seine Lustlosigkeit zu kurieren, sie selbst war ja die Kur gewesen. Deshalb hätte er sie gern irgendwie beruhigt, als sie schließlich sagte: »Darling, so was kommt vor. Das sind die Nerven, weiter nichts. Das gibt sich wieder.« Aber er fand die Worte nicht.
    Und so schwieg er noch immer, als der Wagen in die Schatten des Ahornwäldchens eintauchte, das das Stück Land, auf dem ihr Haus stand, begrenzte. Hier, keine Stunde von London entfernt, gab es lichte Wälder, und Trampelpfade, von Generationen von Forstleuten und Bauern ausgetreten, verschwanden in einem Dickicht von Farnen.
    Der Wagen bog in die von zwei Eichen flankierte Zufahrt zum Haus ein. Zwanzig Meter weiter öffnete sich ein schmiedeeisernes Tor. Die Straße dahinter schlängelte sich unter Erlen, Pappeln und Buchen dahin und umrundete einen Teich, in dem sich der Sternenhimmel spiegelte, ehe sie eine kleine Anhöhe erklomm, an einer Reihe gleichförmiger Bungalows vorüberführte, um unversehens in das fächerförmig ausufernde Delta der Auffahrt vor dem Herrenhaus David King-Ryders zu münden.
    Die Haushälterin hatte ihnen ein spätes Abendessen gerichtet, das aus einer Auswahl von Davids bevorzugten Speisen zusammengestellt war. »Mr. Matthew hat angerufen«, erklärte sie in ihrem gewohnt ruhigen, würdevollen Ton. Portia, die mit fünfzehn Jahren aus dem Sudan geflohen und seit zehn Jahren bei Virginia angestellt war, hatte das melancholische Gesicht einer schönen schwarzen Madonna in Trauer. »Meine herzlichsten Glückwünsche Ihnen beiden«, fügte sie hinzu.
    David dankte ihr. Er blieb im Speisezimmer stehen. In den hohen Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten, spiegelten sich ihre drei Gestalten. Er bewunderte das Blumenarrangement auf dem Tisch, weiße Rosen mit kunstvoll eingeflochtenem Efeu. Er nahm eine der silbernen Gabeln zur Hand. Er kratzte mit dem Daumennagel an einem Klümpchen herabgetropften Kerzenwachses. Und er wußte, daß er nicht einen Bissen hinunterbringen würde.
    Er erklärte seiner Frau, er benötige ein wenig Zeit, um abzuschalten. Er würde ihr später Gesellschaft leisten, denn er brauche einen Moment für sich, um den ganzen Druck loszuwerden.
    Von einem Künstler erwartete man stets, daß er sich in das Herzstück seines Schaffens zurückzog. David ging also in sein Musikzimmer. Er genehmigte sich einen weiteren Wodka und stellte das Glas auf den ungeschützten Flügel.
    Michael, dachte er, hätte so etwas niemals getan. Michael war in dieser Beziehung immer achtsam. Er war sich des Werts eines Musikinstruments stets bewußt, respektierte seine Grenzen und Möglichkeiten. Er war überhaupt ein achtsamer Mensch. Nur in jener einen unglückseligen Nacht in Florida hatte er sich zu Unachtsamkeit hinreißen lassen.
    David setzte sich an den Flügel. Ohne zu
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