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Und wir scheitern immer schoener

Titel: Und wir scheitern immer schoener
Autoren: Dirk Bernemann
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fängt ja mit dem Wort ‹nebenan› an. Die Gleichförmigkeit und Durchschaubarkeit dieser Arbeiten nervt. Es sind immer so Geschichten von quasi gewöhnlichen, mittelalten deutschen Frauen, die ihr Leben trotz Wirrnissen in puncto Liebe, Arbeit, Beziehungsgeflechtsfesseln und Lustbefriedigung immer sausauber in den Griff kriegen und denen danach Fröhlichkeit aus der Arschritze trieft und scheint. Beschriebenes Glück, leicht konsumierbar. Alles in allem ohne realistische Bezüge, aber wohltuend für ein überhitztes Gemüt, wie das meine eines ist.
     
    Alles beginnt mit ‹nebenan›. In jedem Buch fällt nebenan was runter oder schreit ein Kind oder Ähnliches. Auch ich habe zwei ‹Nebenans›. Das Zimmer mit dem Telefon und das Zimmer mit dem behinderten Sohn. Beide sind mir zuwider. Lieber will ich hier im Sessel Hera Linds Gedankenkotze auflecken. Aber da sind diese quälenden Verpflichtungen, und ich bin ganz allein. Allein mit diesem ekelhaft realistischen Leben, das ich führen muss.
     
    In einem Nebenan ist mein geistig behinderter Sohn. Der ist blind und leicht mental beeinträchtigt, selbst verschuldet allerdings. Der war auch mal ganz normal, bis er irgendwann durchdrehte. Jetzt ist er bei mir und ruft mit zweiunddreißig noch nach seiner Mutter. Das bin ich. Verdammte Scheiße. Als er meinen Schoß damals verließ, dachte ich, dass ich in maximal zwanzig Jahren jegliche Verantwortung abgestreift haben könnte, die diesen dummen Jungen betrifft. Und jetzt lebt er hier, seit seinem ‹Unfall›.
     
    Manchmal hasse ich ihn, fessel ihn an sein Bett und lasse ihn tagelang in seiner Scheiße liegen. Irgendwann tut er mir Leid, oder aber der Gestank wird unerträglich und sein wimmerndes Weinen dann fast zu meinem. Aber nur fast. An der Grenze zum Weinen schlage ich ihm dann meine Meinung ins Gesicht. Irgendwas zwischen Verachtung und Liebe. Da gibt es 'ne Menge Grenzbereiche. Auch beides geht parallel, zentriert auf eine Person. Da liegt das Geschöpf in seinem Zimmer und beweint seine Abhängigkeit.
     
    Bilder an den Wänden seines Zimmers. Fotos seines Vaters, seiner Exfreundin, unbekannte Zeichnungen, die er, bereits blind, auf einem Trödelmarkt gekauft hat, Fotos von mir, seiner Mutter. Unter diesen Fotos sein Bett. Da liegt er und wartet ständig auf irgendwas. Geduldig und ungeduldig zugleich.
     
    Im anderen Zimmer steht das Telefon, über das ich als Verbalhure Sprechsex anbiete. Da rufen Männer an, denen ich ihre Sehnsüchte bestätige. Vergewaltigungen, Erniedrigungen, minderjährige Schwedinnen mit Akzent, die sich auf erigierte Schwänze nur aus Neugierde setzen wollen – ich kann alles. Nymphen, Heilige, Huren und Kinder. uHUnd ich kenne keine Tabus. Ich mache alles. Ich kann alles sagen.
     
    Die Wünsche der Männer sind aber manchmal schon sehr abgefahren. Kürzlich wollte einer, dass ich mich als Deutschlands schlechteste Schauspielerin, Thekla Carola Wied, ausgebe und erzieherische Weisheiten aus der seltsamen Serie ‹Ich heirate eine Familie› zum Besten geben sollte. Wie pervers kann man eigentlich sein? Wie abgrundtief schlecht? I don't need Thekla Carola Wied. Der Typ kam ziemlich schnell zur Sache, und als sein Samen ihn verließ, konnte ich wieder beruhigt ich sein. Der ruft seitdem mindestens einmal wöchentlich an, und ich mache ihm die TCW. Das ist eine Aufgabe am Rand der Aufgabe, also Selbstaufgabe.
     
    Ein anderer Mann will, dass ich seine Tochter bin und mit einer fiepsigen Stimme lispelnd um Analsex mit ihm, also ihrem Vater, bettle. Auch das habe ich nicht abgelehnt. Bin mir für nichts zu schade. Da draußen ist die Krankheit des Geistes. Ich bin nur eine Handlangerin. Und manchmal denke ich, ich verhüte sogar Unglück, wenn ich die Männer an der Leitung abspritzen lasse, bevor sie ihren Wahnsinn und ihre abgefuckten Sexualideen in die Realität umsetzen.
     
    Aber mit dem Klingeln des Telefons klingelt es auch in meiner Haushaltskasse, und es ist nun mal sehr teuer, einen Behinderten daheim zu pflegen.
     
    Beim Telefonsex befinde ich mich in einer Nebenwelt im Nebenzimmer. Ich arbeite immer im Dunkeln. Realitätsverdrängungsmöglichkeit. Das Eingehen auf die Männer, die Vorstellung, wie ihre Schwänze durch ihre eigenen Hände gleiten, ihr beschleunigender Atem und die ‹samengetränkte› Erleichterung, die ich ihnen schenken kann, kicken mich. Es ist eine Reise, raus in die Fickwelt da draußen. Ich sammle die Perversen ein und heize sie so an, dass da
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