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Und wir scheitern immer schoener

Titel: Und wir scheitern immer schoener
Autoren: Dirk Bernemann
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Aaaaaaaahhhhhhhhh! Aua.
     
    Der Uniformierte brüllt mir noch irgendwas hinterher, als ich schnellen Schrittes dieses Gebäude verlasse. Voller tragischer Unzuversicht und mit wenig Verständnis für alles.
     
    Ich gehe.
     
    Da ist der Parkplatz, da mein Auto. Die vier Finger haben sie entfernt und in ein Glas getan. Was die wohl damit machen? Und wenn es zur Gerichtsverhandlung kommt, nehmen die Finger auch Teil unter den falschen Namen ‹Beweisstück 1-4›? Das Leben ist ein seltsames. Absolut.
     
     
    Generation Kaffee Kippe
     
     
    Ihr sitzt in euren Zimmern und ihr wartet auf das Glück
    und ihr habt schon zwanzigtausend Zigaretten ausgedrückt,
    redet nur von den Projekten und von eurem neuen Stück.
    Manchmal frag ich mich, bin ich oder ihr verrückt?
    ...
    Es gibt eine Herzlichkeit jenseits von Jonglieren,
    das ist doch wirklich gar nicht allzu schwierig zu kapieren.
    Ihr werdet hunderttausendmal Kaffee trinken gehen
    und werdet hunderttausendmal wieder nichts verstehen.
     
    Ich will nicht schlecht über euch reden,
    es ist ja doch nur primitiv.
    Ich verabscheue euch wegen
    eurer Kleinkunst zutiefst.
     
    Tocotronic – Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst
     
     
    Da sitzen wir in diesem Keller von Mandy. Die mich umgebende, schwer zu atmende Luft ist rauch- und kaffeegeschwängert. Wir hängen hier rum, treffen uns hier, um Kunst zu machen. Gedanken machen und verwerfen. Wir wissen alle, dass vor der Tür ein mächtiges Unheil auf uns wartet, dem wir uns mit unserer Kunst entgegenstellen wollen. Kontrakunst. Der Kontrast zur Gesellschaft. Aufrühren wollen und Emotionen provozieren. Alle hier sind mächtig high.
     
    Da sitzen wir in diesem Keller von Mandy. Alle mächtig am Rotieren des Kaffees wegen. Alle Köpfe kreativ denkend. Draußen ist feindlich. Bloß keinen Schritt vor die Tür setzen. Nicht raus, wir wissen doch, was uns da erwartet. Unverständnis und Wahnsinn. Leuchtender Wahnsinn. Globalisierung, Massenarbeitslosigkeit, Konsum, Kapitalismus, Neofaschismus und zu guter Letzt der ‹sterbenswürdige› Tod. Dagegen wollen wir vorgehen. So intellektuell wir sind, so still und desillusioniert sind wir leider auch.
     
    Da sitzen wir in diesem Keller von Mandy, und Joints machen die Runde. Es dampft gewaltig und keiner sagt ein Wort. Mandy fotografiert das alles mit ihrer Digitalkamera. Jeden Einzelnen von uns als nebelumwobenes Kunstwerk, digital konserviert. Nichts passiert, Mandy tanzt um die Sofas und es klickt und blitzt durch die Rauchfront. Mandy heißt eigentlich Manuela, aber auch das scheint sie mittlerweile vergessen zu haben.
     
    Da sitzen wir in diesem Keller von Mandy. Paul ist auch da und er beginnt eigene Gedichte zu zitieren. Paul frisst alle Drogen, die er bekommen kann. Vorhin waren es bunte Tabletten, vier oder fünf. Er ist ein Menschenkarton mit chemischem Inhalt. Paul spricht langsam und lallend: «Lesen ist wie Fernsehen zu Fuß / was muss, das muss / am Ende Drangewöhner / und wir scheitern immer schöner.» Nach diesen Worten begibt sich Paul wieder in seine Wohlfühllethargie und lässt seine Kreativität ermatten. Es steht nicht gut um ihn.
     
    Da sitzen wir in diesem Keller von Mandy. Lisa und Tim ficken auf dem Sofa. Lisa sitzt auf Tims Schoß, und Tim knetet dumm ihre Brüste. Beide schreien wild Nietzsche-Zitate durch den Raum und geben sich stumpf ihrem Trieb hin. «Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.» – «Die Forderung, geliebt zu werden, ist die größte aller Anmaßungen.» – «Was ich lieben kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang ist und ein Untergang.» All das geschrien, während sich Genitalien duellieren. Faszinierende Seltsamkeit ergibt sich aus diesem Anblick.
     
    Da sitzen wir in diesem Keller von Mandy. Ich weiß auch nicht, wie lange ich schon hier bin. Vielleicht drei oder vier Wochen. Mich hungert nach frischer Luft, neuem Wissen und Menschen, die wissen, was sie wollen. Neben mir sitzt Albert. Der ist vierundfünfzig Jahre alt und malt seine Gedanken. Es sieht aus, als hätte es ein Vierjähriger im Kindergarten hingeschmiert, aber diese Kacke geht in Albert vor. An der rechten Hand hat er nur noch den Daumen, doch er mag nicht über diese Verletzung reden. Albert trinkt ein Glas Strohrum mit Cola, und nach diesem Konsum schließt sich sein Bewusstsein. Er hat mal ein Bild an einen Blinden verkauft. Sein einziger Erfolg.
     
    Da sitzen wir in diesem Keller von Mandy. Über die
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