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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition)
Autoren: Megan Crewe
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recht. Ich wünschte, ich könnte das übernehmen, aber ich bin dafür nicht ausgebildet. Ich würde wahrscheinlich etwas falsch machen und den Impfstoff nicht einwandfrei reproduzieren. Wir müssen ein paar Leute organisieren, die ihn aufs Festland bringen und dort jemanden ausfindig machen, der noch an dem Virus forscht.« Sie hielt inne. »Die Frage ist nur, wann sie aufbrechen können.«
    »Sie müssen sich sofort auf den Weg machen«, sagte ich. »Je eher wir impfen können …«
    »Kaelyn«, unterbrach sie mich, »wir sollten praktisch denken. Ich habe mit Mark gesprochen. Die Straßen auf dem Festland sind nicht vom Schnee geräumt, sämtliche Tankstellen sind geschlossen, wahrscheinlich kann man nirgends Schutz vor der Kälte finden. Der Winter dauert noch mindestens zwei Monate. Jetzt jemanden loszuschicken, wäre lebensgefährlich. Und wenn der Gruppe etwas zustößt, verlieren wir auch den Impfstoff.«
    »Wir verlieren ihn vielleicht hier , wenn wir nicht bald etwas unternehmen«, erwiderte ich. »Was, wenn der Generator im Forschungszentrum irgendwann seinen Geist aufgibt?«
    »Wir können die Proben ins Krankenhaus bringen«, schlug Nell vor.
    »Wo der Generator jetzt schon Probleme hat«, wandte ich ein, und das Licht flackerte wieder, als wollte es mein Argument bekräftigen. Nell presste die Lippen zusammen, während ich weiter versuchte, sie zu überzeugen. »Und von der Gang haben auch schon ein paar versucht, hier einzubrechen – wo sollen wir den Impfstoff denn sicher aufbewahren? Was, wenn uns selbst in den kommenden zwei Monaten etwas passiert?«
    Nell legte mir die Hand auf den Arm. »Uns wird bis zum Frühjahr nichts passieren«, antwortete sie. »Wir haben doch schon bewiesen, dass wir eine Menge aushalten. Es ist wirklich toll, dass du den Impfstoff gefunden hast, Kaelyn, und wir werden gut darauf aufpassen, aber ich glaube, wir haben keine andere Wahl, als zu warten.«
    Ich hörte nicht die Spur von Freude in ihrer erschöpften Stimme. Nell hatte schon so lange im Krankenhaus gearbeitet und schon so viel gesehen, vielleicht konnte sie einfach nicht glauben, dass ein Impfstoff, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte, uns noch retten könnte. Vielleicht klang ihr das zu sehr nach Märchen.
    Vielleicht war es das ja auch. Und vielleicht hatte sie recht, was die Risiken betraf. Aber wie viel mehr Menschen würden in der Zeit zwischen jetzt und dem Frühjahr noch krank werden? Wenn wir überhaupt bis dahin überlebten.
    »Uns passiert schon nichts«, wiederholte Nell und klopfte mir auf die Schulter. Doch als sie sich umdrehte, überkam mich das Gefühl, dass sie das auch sagte, um sich selbst zu überzeugen, und nicht nur mich.

    Als ich zurück zum Haus kam, lag der Schnee strahlend weiß im Licht der Sonne, die Temperatur war jedoch gefallen, und der Wind strich mir mit eisigen Fingern übers Gesicht. Ich zögerte, die Hand schon am Türgriff. Auf dem Weg vom Krankenhaus war mir allmählich die Erkenntnis gekommen, was ich tun musste. Jetzt lag sie mir wie ein Stein im Magen.
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich es ihnen sagen sollte. Tessa würde mich vielleicht unterstützen, aber was ich von Leo zu erwarten hatte, wusste ich nicht. Und Gav …
    Ich biss die Zähne zusammen und ging hinein.
    Tessa und Meredith saßen am Couchtisch. Meredith brummelte irgendetwas über den Stricknadeln, mit denen sie gerade versuchte Maschen anzuschlagen, während Tessa stirnrunzelnd auf die verblasste Anleitung blickte, die zu dem alten Strickset gehörte, das wir gefunden hatten. Sie sah mich kurz mit so etwas wie einem Begrüßungslächeln an und riet Meredith dann: »Ich denke, du solltest die Wolle vielleicht mal andersherum um den Finger wickeln …«
    In der Küche lag Gav gerade halb unter der Spüle auf dem Boden, und Leo hockte mit der Werkzeugkiste daneben. »Ich krieg’s nicht richtig zu fassen«, sagte Gav, als ich meine Stiefel abstreifte. Leo beugte sich vor und reichte ihm einen Schraubenschlüssel.
    »Versuch mal den hier.«
    Es gab ein kratzendes metallisches Geräusch, anschließend einen erleichterten Seufzer von Gav. »Perfekt! Hast du so was schon mal gemacht?«
    Leos Mundwinkel zogen sich nach oben. »Mein Dad hat immer versucht, mich für ›Männersachen‹ zu begeistern – Werkzeug, Boote, Waffen –, wahrscheinlich, um dem Tanzen irgendwas entgegenzusetzen. Ein bisschen davon ist hängengeblieben.«
    »Das zahlt sich jetzt für uns aus«, sagte Gav. Er klopfte an das Rohr und
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