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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition)
Autoren: Megan Crewe
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unsere Zeit gemeinsam mit Freunden in Cafés verbracht und uns mit unseren Eltern gestritten, die noch am Leben gewesen wären, und keine Angst davor gehabt, am nächsten Tag vielleicht schon sterben zu müssen. Aber die hatten wir.
    »Danke dir «, antwortete ich. »Da ist noch was, das du tun könntest. Etwas, das alles wiedergutmachen würde. Kannst du uns vielleicht helfen, an ein Auto zu kommen?
    Ein Lächeln legte sich langsam auf ihre Lippen. »Ja«, antwortete sie, und ihre Augen begannen zu leuchten. »Da kannst du drauf wetten, dass ich das kann.«

Sechsundzwanzig
    Anika sagte, sie würde das Auto irgendwann am nächsten Tag vorbeibringen. Gegen Mittag lagen unsere Nerven blank. Justin fing schon an, über ihre Verspätung zu mosern, als Tobias von seiner Wachrunde heraufkam. Als ich ihn hörte, verließ ich das Schlafzimmer, um die Lage etwas zu beruhigen.
    »Wir wollen doch, dass sie vorsichtig ist«, erinnerte ich Justin. »Sonst sind wir alle geliefert.«
    »Sie wird schon kommen«, sagte Tobias.
    »Du willst sie ja bloß hierhaben, weil du sie scharf findest«, erwiderte Justin, und Tobias wurde rot. Er stand irgendwie merkwürdig da, die Hände in den Taschen und die Schultern ganz verkrampft.
    »Wenn du dir solche Sorgen machst«, wandte ich mich an Justin, »wieso gehst du dann nicht runter und hältst die Augen für uns auf? Du bist sowieso dran mit Wacheschieben.« Daraufhin wurde er auch rot und setzte sich in Bewegung.Ich wollte gerade zurück ins Schlafzimmer, als Tobias sagte: »Kaelyn, kann ich dich kurz sprechen?«
    Als ich »klar« antwortete, drehte er sich um und ging steifbeinig in das zweite Schlafzimmer.
    »Was ist denn los?«, fragte ich und folgte ihm.
    »Ich will, dass du mir deine ehrliche Meinung sagst«, antwortete er. Er nahm die Hände aus den Hosentaschen und ballte sie seitlich am Körper zu Fäusten. »Als ich da unten Wache hatte, hab ich plötzlich angefangen … ich hab da so ’ne Stelle …«
    In dem Moment konnte er sich nicht länger beherrschen. Seine rechte Hand zuckte an den Nacken, und er schloss die Augen, während er sich an der Stelle kratzte, die ihn wahnsinnig gemacht haben musste. Mir blieb fast das Herz stehen.
    »Tobias«, sagte ich und wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte.
    Er nahm die Hand mit Gewalt wieder herunter und verzog das Gesicht. »Es nervt mich jetzt schon seit ungefähr einer halben Stunde.« Seine Lippen bebten. »Glaubst du … hab ich es?«
    »Wir waren doch so vorsichtig«, sagte ich. »Du bist nicht mal in Gavs Nähe gewesen.«
    Dann hielt ich inne. Denn das war er doch. Ganz am Anfang, im Auto. Als wir vom Rathaus kamen und bevor wir ausgestiegen waren, hatte Gav, ohne sich das Gesicht zu bedecken, gehustet und geniest.
    »Aber Leo war auch dabei«, sagte ich. Leo wirkte völlig gesund, kein bisschen, als würde er ein heimliches Jucken verbergen. »Leo geht es gut. Vielleicht ist es ganz harmlos.«
    »Leo ist geimpft«, erwiderte Tobias.
    »Wir wissen doch noch nicht mal …«, begann ich und verstummte. Wenn Tobias krank war und Leo nicht, dann wussten wir es vielleicht doch. So gut wir es ohne Massentests nur wissen konnten.
    Tobias schluckte hörbar, während in mir Schuldgefühle aufstiegen. Er hatte Angst, und ich dachte über ihn nach, als sei er irgendeine eine Versuchsperson.
    »Ist vielleicht besser, wenn ich hierbleibe«, sagte er. »Ich bringe euch alle in Gefahr …«
    »Red keinen Blödsinn«, antwortete ich. »Gav kommt auch mit, und von ihm wissen wir, dass er krank ist. Nur … achte bloß darauf, dass du deinen Schal immer fest vor Mund und Nase hast, wenn wir im Auto sitzen. Und wenn die Stelle dich weiter quält, dann tu etwas Schnee drauf – kühlen hilft vielleicht.«
    »Bist du sicher?«, fragte er. »Ich meine, ich würde das verstehen – Gav ist dein Freund, und ich bin niemand.«
    »Tobias«, sagte ich entschieden, »wir lassen keinen hier zurück. Wir sind zusammen so weit gekommen, und wir werden zusammen weitermachen. Verstanden?«
    In seinen Augen leuchtete etwas auf, das wie Erleichterung aussah. »Verstanden«, antwortete er und löste seinen Schal, um ihn sich über die Nase zu ziehen.
    Als ich wieder den Flur entlangkam, sah Leo kurz auf. Ich blieb einen Moment vor Gavs Tür stehen und versuchte, ihn unauffällig zu mustern. Er wirkte ein bisschen angespannt, doch seine Hände ruhten locker und geöffnet auf den Oberschenkeln, während er scheinbar unbekümmert am Fenster saß.
    »Alles in
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