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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition)
Autoren: Megan Crewe
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weitermachte, bevor er so krank wurde.
    »Wir müssen los, Gav«, sagte ich und nahm seine Hand.
    »Nein«, sagte er, als ich mich erhob. Er saß da und sah mich an wie ein trotziges Kind. Es tat mir im Herzen weh, aber für so etwas hatten wir jetzt keine Zeit. Ich musste ihn dazu bringen mitzukommen, und zwar in diesem Augenblick.
    Auch wenn das bedeutete, grausam zu ihm zu sein.
    Ich ließ seine Hand los. »Ich muss«, sagte ich. »Und ich möchte, dass du mitkommst. Wenn nicht, werde ich ohne dich gehen müssen. Dann bist du hier ganz allein.«
    Hätte er mich auf die Probe gestellt, wäre ich nicht sicher gewesen, wie lange ich es durchgehalten hätte. Bis zur Wohnungstür vielleicht? Bis in den Hausflur? An irgendeinem Punkt wäre ich sicher umgekehrt. Aber er stellte mich nicht auf die Probe. Stattdessen blitzte Panik in seinem Gesicht auf, und er rappelte sich schwankend hoch.
    Ich zog seinen Schal zurecht, so dass er seine untere Gesichtshälfte bedeckte, und wickelte zusätzlich einen zweiten, den ich mitgebracht hatte, darum. Auf diese Weise befanden sich vier Schichten Stoff zwischen seinem Atem und der Außenluft. Anschließend warf ich mir meine Tasche über die Schulter und schnappte mir die Kühlbox. Leo machte die Schlafzimmertür auf.
    »Seid ihr so weit?«, fragte er. »Tobias und Justin haben schon alles nach unten getragen. Wir sind abfahrbereit.«
    »Ich muss mich hinsetzen«, sagte Gav, die Stimme durch die Schals gedämpft. Ich legte ihm den Arm um die Schulter und führte ihn ins Wohnzimmer.
    »Komm schon«, sagte ich. »Du kannst gleich im Wagen sitzen.«
    »Voll in Kommandierlaune heute, was?«, murmelte Gav, und ich bemerkte, wie Leo ein Grinsen unterdrückte.
    »Pass auf«, sagte er und nahm Gavs anderen Arm. »Du kannst dich auch auf mich stützen, wenn du willst.«
    Mit Unterbrechungen schafften wir es die Treppe hinunter, legten auf jedem Absatz einen Zwischenstopp ein, damit Gav sich an die Wand lehnen und zu Atem kommen konnte. Als wir im Erdgeschoss ankamen, hustete er bei jedem Schritt ein bisschen.
    Draußen hatte es leicht zu schneien begonnen. Tobias stand auf dem Gehweg – neben einem schwarzen Geländewagen mit dunkel getönten Scheiben.
    »Na ja, was dachtet ihr denn, was ich bringen würde?«, fragte Anika von der Fahrerseite aus. »Ich wusste, wo ich den Schlüssel für diesen hier finde. Sie werden alle denken, einer von den anderen Wächtern wäre mit ihm rausgefahren. Wenn ihr jetzt mal endlich einsteigt, sind wir schon aus der Stadt, bevor überhaupt irgendwer merkt, dass etwas nicht stimmt.«
    Tobias wollte anfangen zu diskutieren, aber ich schnitt ihm das Wort ab, bevor er überhaupt den Mund aufmachen konnte.
    »In Ordnung«, antwortete ich. »Wir müssen nehmen, was wir kriegen – für was anderes ist es jetzt zu spät.«
    Ich war noch nicht einmal überrascht. War irgendwie logisch, dass sie die Wächter bestahl, um das zu bekommen, was wir brauchten, genauso wie sie versucht hatte, uns für sie zu bestehlen.
    Während die anderen unseren Proviant in den Kofferraum warfen, setzte ich Gav auf die Kante des Rücksitzes und holte die Flasche Wasser heraus, in der ich vier von Anikas Beruhigungstabletten aufgelöst hatte. Außerdem hatte ich etwas von dem Orangengetränkepulver, das wir gefunden hatten, untergerührt, um den Geschmack zu überdecken. Gav beäugte das Getränk misstrauisch.
    »Das hilft gegen den Husten«, erklärte ich ihm. »Dein Hals ist sicher schon ganz wund.«
    Er rümpfte die Nase, zog sich aber die Schals herunter und nahm es. »Trink so viel du kannst«, sagte ich.
    Er stürzte ein paar Schlucke hinunter und hielt dann keuchend inne. »Pfui Teufel«, sagte er. »Das schmeckt ja scheußlich.«
    »Na ja, Medizin schmeckt eben nicht besonders«, antwortete ich. »Lass uns einsteigen. Du kannst den Fensterplatz haben.«
    Ich half ihm, sich auf die andere Seite des Wagens zu schleppen. Hinter uns schlug die Heckklappe zu. Justin und Tobias quetschten sich nach mir hinein, während Leo mit dem Straßenatlas nach vorne kletterte. Wir passten alle gerade so rein. Gav saß schließlich halb auf meinem Schoß. Er kippte schlotternd den Kopf an die Rücklehne. Der Anschluss des Sicherheitsgurtes bohrte sich mir in den Po, aber ich interessierte mich nur dafür, möglichst schnell von dort zu verschwinden.
    »Alles klar!«, rief ich. »Wir sind alle drin.«
    Wir manövrierten vorsichtig durch den Schnee die Straße hinunter. Tobias drehte sich kurz um
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