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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition)
Autoren: Megan Crewe
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wenn ich sie bewege. Und dann haben sie mich gezwungen, mit ihnen rumzufahren und nach euch zu suchen, die ganze Nacht lang, und den nächsten Tag, und heute. Nur letzte Nacht haben sie mich ein paar Stunden zu Hause schlafen lassen, dann haben sie mich wieder abgeholt.«
    »Das tut uns ja so leid für dich«, sagte Justin mit unverhohlener Ironie.
    Anika erzählte weiter, ohne ihn zu beachten. »Da hab ich angefangen nachzudenken. Bei ihnen bin ich auch nicht sicherer als bei euch. Ihr habt Waffen, ihr habt etwas zu essen, ihr habt den Impfstoff. Und ihr nehmt mich auf, ohne dass ich eine Gegenleistung dafür erbringen muss. Ihr habt mir noch nicht mal was getan, als ich versucht hab, euch reinzulegen.« Sie hielt inne. »Tut mir leid wegen dem Spray.«
    Justin schnaubte.
    »Andererseits sind uns aber ein Haufen Leute, die uns etwas tun wollen auf den Fersen«, sagte ich. »So unheimlich sicher ist es bei uns nicht.«
    »Kann sein«, erwiderte Anika, »aber wenn Michael den Impfstoff kriegt, weiß ich nicht, ob ich jemals etwas davon abbekomme. Ihr wollt wenigstens, dass alle ihn kriegen. Ich will nicht mehr dauernd Angst davor haben, krank zu werden.«
    »Du wirst überhaupt keinen Impfstoff bekommen, bevor wir nicht jemanden gefunden haben, der mehr davon herstellen kann«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung, wie lange das dauern wird.«
    »Das macht nichts«, versicherte Anika. »Das ist besser als nie.«
    Es könnte gut sein, dass es nie sein wird, dachte ich, aber ich sprach es nicht aus. Ich traute ihr nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, die Kühlbox aus den Augen zu lassen, wenn sie in der Nähe war. Aber sie klang, als würde sie glauben, was sie da sagte.
    Sie glaubte mehr an unsere Art, die Sache anzugehen, als an Michael und seine Leute. Sie glaubte an mich.
    Tobias schwankte. Er hatte seine Pistole noch nicht weggesteckt, doch sein Gesichtsausdruck war unentschlossen. Justin schüttelte den Kopf. Leo sah einfach nur mich an, gleichgültig, als vertraute er darauf, dass jede Entscheidung, die ich traf, richtig sei.
    Sie konnte uns vielleicht helfen. Vielleicht würde sie uns aber auch noch einmal reinlegen. Ich konnte es unmöglich wissen. Aber alle warteten auf mich. Ich musste entscheiden.
    Sie würde uns sagen können, wann die Wächter wieder auf Patrouille gingen, welche Gewohnheiten sie hatten, und sie konnte uns helfen, eine Strecke durch die Stadt zu finden, auf der wir ihnen aus dem Weg gehen konnten. Vielleicht wusste sie sogar, wo wir ein Auto auftreiben konnten.
    Und plötzlich fiel mir der Moment wieder ein, als wir mit Tobias und seinem Truck am Hafen gegenüber der Insel standen. Damals hatten wir ihm auch nicht getraut. Er war mit schuld an einer Katastrophe, die viel schlimmer war als das, was Anika verbrochen hatte. Aber ohne ihn wären wir nicht mal in die Nähe von Toronto gelangt. Vielleicht wären wir inzwischen sogar alle schon tot.
    Ich streckte die Hand aus und öffnete, Justins Protestgeheul ignorierend, die Tür. Niemand, der mit vorgehaltenen Waffen hereinstürmte. Da stand nur Anika, die Arme um ein Paket aus so etwas wie mehreren kleinen Flaschen geschlungen, das Gesicht unter der dunklen Kapuze ganz blass.
    »Danke«, sagte sie und hielt uns das Paket hin. »Ich hab euch das hier mitgebracht. Ich weiß, das kann nicht wiedergutmachen, was ich getan habe, aber ich dachte, ich könnte es wenigstens versuchen. Das ist Medizin. Für deinen Freund, Kaelyn.«
    Leo betrachtete misstrauisch das Päckchen, als ich es von ihr entgegennahm. »Medizin, woher?«
    »Eine Tierklinik«, antwortete sie. »Ich glaube, das haben noch nicht viele versucht. Die erste, in die ich rein bin, war noch komplett ausgestattet. Mein Großvater war Tierarzt – ich hab eins seiner alten Handbücher durchgesehen. Es war nichts dabei, das mir unbedenklich schien und ein Virus abtöten kann, aber ich hab Beruhigungsmittel gefunden. Wenn die Hunde und Katzen ruhigstellen, dann müsste das mit einem Menschen doch auch klappen, wenn man ihm genug davon gibt.«
    Ein Sedativum für Tiere. Da hätte ich drauf kommen müssen. Wenn wir dafür sorgen konnten, dass Gav sich ruhig verhielt, dann könnte er zwar immer noch nicht laufen, aber in einem Auto wäre er absolut sicher.
    Wenn wir irgendwo ein Auto herbekamen.
    Anika sah mich hoffnungsvoll an, und es machte mich betroffen, zu wissen, dass sie unter ihren Make-up-Schichten nur ein, zwei Jahre älter war als ich. In unseren früheren Leben hätten wir beide
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