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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme?
Autoren: Eva Prawitt
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gelegentlichem Meerblick — verrückt.
    Das werden wir alles erlaufen, notiert Pit in sein kleines schwarzes Tagebuch. Und: Ich freue mich, dass bisher alles so gut geklappt hat.
    Doris schläft ein bisschen.
    Kurz vor halb vier erreichen wir Irun. Nach einer kleinen Pinkelpause im Bahnhof brechen wir zu Fuß nach Hondarribia auf. Dies ist nun unsere erste Wanderung, auch wenn sie nur knapp zwei Kilometer lang ist. Wir sind ganz euphorisch, endlich auf dem Weg zu sein, das Gewicht des Rucksacks auf dem Rücken, die Wanderschuhe an den Füßen, die Stöcke fest in der Hand. Und los geht’s!
    Der Weg durch Hondarribia allerdings zieht sich, denn wir haben Mühe, die Jugendherberge zu finden. Obendrein stellt sich heraus, dass wir für unsere erste Nacht auf spanischem Boden weit mehr bezahlen müssen, als es in unserem Wanderführer steht. Wir berappen statt der angekündigten 3 Euro pro Person ganze 19 Euro. Aber das ist uns egal. Stolz lassen wir uns unseren ersten Stempel in unseren Pilgerausweis drücken. Außerdem haben wir ein Zimmer für uns drei allein mit eigenem Bad. Und Frühstück gibt es auch noch, was für spanische Verhältnisse keine Selbstverständlichkeit ist. Außerdem ist der Blick aus unserem Fenster berauschend. Als wir die Gardine zurückziehen, bleibt uns die Spucke weg. Vor uns liegt malerisch der Hafen von Hondarribia, links das Meer und in dunstiger Ferne die Küste von Frankreich. Wir jubeln synchron und haben den Eindruck, etwas Schöneres kann uns nicht passieren. Es dauert eine Weile, bis wir uns losreißen und anfangen, uns einzurichten. Viel auszupacken gibt es nicht. Der Schlafsack wird auf der Matratze ausgerollt, die Zippertüte mit den Waschutensilien ins Bad verfrachtet, ein T-Shirt als Nachthemdersatz über die Bettstange gehängt. Zu meinem Schreck finde ich meine Handtücher nicht. Hoffentlich habe ich die nicht zu Hause vergessen! Aber sie sind bloß in die unteren Rucksackregionen gerutscht. Morgen werde ich umpacken.
    So, und jetzt haben wir Hunger! Außerdem wollen wir ein bisschen die Altstadt erkunden. Die Häuser in Hondarribia weisen eine eigenwillige Architektur auf, eine Mischung aus Wildwest- und Almromantik, alles sehr bunt und fröhlich, aber ausgestorben wie nach einer Epidemie. Die Bars und Restaurants sind eine Enttäuschung: Entweder werden völlig überteuerte Gerichte angeboten, oder aber es gibt frühestens ab acht Uhr etwas auf den Teller. Schließlich treibt der Hunger uns in einen mercado. Ausgerüstet mit Weißbrot, Käse, Tomaten und reichlich Wasser suchen wir uns einen sonnigen Picknickplatz und finden eine abgelegene Wiese am Rand der alten Stadtmauer. Höchste Zeit, denn zumindest ich werde allmählich kribbelig und ungeduldig. Aber nach dem Essen ist es besser. Wir sind alle kaputt — nach der kurzen Nacht und dem langen Tag. Kurz nach neun kriechen wir in unsere Schlafsäcke. Das Abenteuer hat begonnen.

2. Tag HONDARRIBIA – SAN SEBASTIAN

    Der Tag weckt uns mit einem traumhaften Sonnenaufgang: Der Himmel über Frankreich brennt in sämtlichen Rot- und Orangetönen. Es ist Viertel nach sieben, und Doris föhnt sich schon die Haare. Ich freue mich wie selten auf diesen Tag und komme hervorragend aus dem Bett. Bevor wir den Frühstücksraum suchen, packen wir unsere Siebensachen. Ich hänge meine Wanderschuhe außen an den Rucksack und laufe in Trekkingsandalen. 14 Tage vor unserem Abflug habe ich mir den kleinen Zeh geprellt, und jetzt ist er dick und blau wie eine schrumpelige Pflaume und will sich einfach nicht neben den anderen Zehen in den Wanderschuh zwängen lassen. Das fängt ja gut an! Ich nehme es gelassen und humple fröhlich hinter Doris und Pit durch die Jugendherberge. Keine Menschenseele zu sehen. Pit öffnet jede Tür und ruft: »Hola!« Endlich winkt uns eine Frau von undefinierbarem Alter in einen Saal und verfrachtet uns an einen der Tische. Eine andere Frau breitet lächelnd eine weiße Papiertischdecke darauf aus, verteilt vor uns Tassen, Messer, einen Teller mit portionierter Butter und Pfirsichmarmelade, einen Korb mit getoastetem Weißbrot. Fertig. Wir essen von der Papierdecke, die bald aussieht, als hätte sich ein ganzer Kindergarten darauf ausgetobt. Die Frauen schütten uns Kaffee mit viel Milch in die Tassen. Dann gesellen sie sich zu anderen Frauen an den Nebentisch und schnattern in ihrem maschinengewehrschnellen Spanisch drauflos. Uns kommt es vor, als hätten wir noch nie so fürstlich und originell
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