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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme?
Autoren: Eva Prawitt
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und bereinigt werden soll, jetzt sagen und bereinigen, sodass wir in Frieden Abschied voneinander nehmen können.«
    Das ganze Unternehmen hat auch den Sinn, sich von Erwartungen zu lösen. Das wird sie jetzt durchziehen — mit allen Konsequenzen. Und er wird es mit ihr teilen — oder auch nicht. Sie behalten sich vor, sich jederzeit auf dem Weg zu trennen. Wie oft hatte sie sich das in der Vergangenheit ausgemalt, einfach zu gehen, um zu spüren, wie es ist, ohne ihn zu leben. Aber dann hat sie es doch niemals umgesetzt. Diesmal will sie sich diese Option offenhalten, und sie werden es beide aushalten müssen. Sie sind fest entschlossen.
    Jeder von ihnen kauft sich ein Outdoor-Handbuch, in dem sie Streckenbeschreibungen und allerhand Tipps für ihren Weg finden, und ein kleines schwarzes Tagebuch. Sie buchen Flüge zu Spottpreisen. Allmählich stellt sich Vorfreude ein.
    Es ist lange her, dass sie aktiv am selben Strang gezogen haben. Doch die Anspannung macht sie unvorsichtig.
    Silvester sind sie bei guten Freunden eingeladen, bei Doris und ihrem Mann. Natürlich kommt an diesem Abend auch ihr Vorhaben, den spanischen Küstenweg zu erwandern, zur Sprache. »Da hätte ich auch Lust drauf«, schwärmt Doris. Und in einer spontanen freundschaftlichen Anwandlung bietet sie an, dass Doris mitkommen könne. Doris ist nicht der Mensch, der sich lange bitten lässt. Schon einen Tag später hat sie herausgefunden, dass im Flieger noch Platz ist. Kurzerhand verlegt sie zweieinhalb Wochen Urlaub in die geplante Reisezeit, bucht ihren Flug und kreuzt abenteuerlustig und bereit zu allem mit ihrem Gepäck einen Abend vor Reisebeginn bei ihren Freunden auf. Nun gut, gehen sie eben zu dritt. Und warum auch nicht? Hauptsache, es geht endlich los. Es ist wie eine Flucht, aber auch wie ein Angriff. Vielleicht ist es gut, nicht nur zu zweit zu sein.
    Am Abend vor ihrer Reise ertränkt sie ihre inneren Widersprüche, ihre Vorbehalte und ihre Aufregung zusammen mit ihrer Freundin in Grand Marnier. Ihr Mann hat Whiskey gewählt, was sein gutes Recht ist. Alle drei sind sehr aufgekratzt. Gegen elf Uhr erhebt sie sich.
    »Es wird Zeit«, sagt sie, »gute Nacht, Doris.«
    »Gute Nacht, Eva, gute Nacht, Pit«, antwortet ihre Freundin.

Über längere Strecken musst du deinen Rhythmus finden und ihn beibehalten. Du solltest keine übertriebenen Sprints hinlegen, die bereust du hinterher immer.

ANDREA DE CARLO
aus: Wenn der Wind dreht

1. TAG KASSEL — HONDARRIBIA

    Hinter uns liegt eine kurze Nacht. Um drei Uhr müssen wir schon aus unseren Betten. Ein Freund, der dienstlich nach Heilbronn fährt, macht für uns einen Umweg und bringt uns zum Frankfurter Flughafen. Wie im Traum fliegt mir hinter den Autofenstern die Skyline von Frankfurt entgegen. Irgendwo dort hinten wartet unser Flugzeug. Ich kann es nicht fassen: Vor mir liegen zwei völlig unberührte Monate.
    Beim Start unserer Maschine überkommt mich ein solches Hochgefühl, dass ich am liebsten schreien möchte. Ich drücke aber nur Pits Arm. Pit strahlt. Er kann kaum den Blick losreißen von dem Morgenlicht, das die tief unter uns liegenden Pyrenäen mit ihren schneebedeckten Berggipfeln überpudert. Auch Doris ist ganz versunken.
    Um zwanzig nach elf erreichen wir Bilbao. Der Flughafen liegt außerhalb der Stadt, doch auf dem ganzen mickrigen Flughafengelände gibt es weit und breit keine Touristen-Information. Pit, der sich sonst — ganz Mann — niemals diese Blöße gibt, fragt kurzerhand den nächstbesten Passanten nach der Bushaltestelle. Dort treffen wir auf den ersten Pilger, der allerdings den Camino Francés gehen will.
    Die Fahrt vom Flughafen bis zum Busbahnhof in Bilbao entpuppt sich als Mini-Stadtrundfahrt. Überall stehen Bäume und Büsche in saftigem Grün. Hier ist der Frühling schon vier Wochen voraus.
    Wir kaufen Wasser in einem mercado (Supermarkt), und dann geht es weiter mit dem Bus nach Irun. Die richtige Bushaltebucht zu finden ist nicht einfach, da unsere Sprachkenntnisse längst nicht ausreichen und wir die spanischen Anzeigetafeln nicht lesen können. Monate vor unserer Reise hatte ich mir vorgenommen, ein bisschen Spanisch zu lernen. Aber leider ist es bei dem guten Vorsatz geblieben. Trotzdem sitzen wir schließlich nach einigem Hin- und Herlaufen und Herumfragen mit Händen und Füßen im richtigen Bus.
    Die Fahrt dauert eineinhalb Stunden. Pit klebt am Fenster. Eine sehr abwechslungsreiche Landschaft zieht draußen vorbei: Allgäu mit
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