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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe
Autoren: Emily Giffin
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und traurig zugleich. Er sieht verändert aus – und doch noch genauso wie früher. Sein Haar ist ein bisschen länger, als ich es bei ihm kenne, aber das ist absichtlich so und nicht, weil er zum Friseur müsste. Ich möchte nicht, dass sein neuer Look mir gefällt, aber er tut es. Er trägt sein jagdgrünes Kapuzen-Sweatshirt, das noch aus der Zeit vor mir stammt. Ich kann das Gefühl des weichen Baumwollflanells aus der Erinnerung heraufbeschwören und habe das heftige Bedürfnis, die Hand auszustrecken und seinen Ärmel zu berühren. Ich begreife plötzlich, dass er nicht aus dem Büro kommt – Ben kleidet sich lässig, aber nicht so lässig. Er trinkt Kaffee, und seine Tasse ist halb leer. Also frage ich: «Seit wann bist du schon hier?»
    «Eine ganze Weile», sagt Ben.
    «Aber wir haben mittags gesagt, oder?»
    «Ja.»
    «Kommst du aus dem Büro?»
    «Nein», sagt Ben. «Ich arbeite heute nicht.»
    Ich will sagen, dass wir uns dann doch woanders hätten treffen können; er hätte nicht den ganzen Weg von der Upper West Side herunterzukommen brauchen, aber ich lasse es bleiben, als mir einfällt, dass Tucker vielleicht hier in Gramercy wohnt. Stattdessen nicke ich und sage: «Hast du dir den Tag freigenommen?»
    «Ja.» Er zieht den Reißverschluss seines Sweatshirts ein kleines Stück herunter, gerade so weit, dass ich sein altes R.E.M.-T-Shirt sehen kann. Ich weiß, dass er es an dem Abend auf dem Konzert gekauft hat, als er beinahe Michael Stipes Mundharmonika aufgefangen hätte. Ich weiß auch, dass im linken Ärmel ein Loch ist. Ich habe immer den Finger hindurchgeschoben.
    Im nächsten Augenblick kommt die Kellnerin und fragt, ob wir bestellen möchten. Ja, sagen wir – obwohl ich nicht mal angefangen habe, an Essen zu denken. Ben bestellt das Sandwich mit geräucherter Putenbrust.
    «Für mich auch», sage ich. Das ist einfacher als alles andere.
    «Etwas zu trinken?», fragt sie.
    «Eine Cola, bitte», sage ich, obwohl Koffein das Letzte ist, was ich jetzt gebrauchen kann.
    Sie nickt, nimmt uns die Speisekarten ab und geht zügig davon, und ich denke: Und was jetzt?
    Ben beendet das Schweigen. «Hör zu. Ich weiß, warum du dich heute mit mir treffen wolltest, Claudia.»
    «Wirklich?» Ich weiß ja selbst nicht mal genau, warum ich mich heute mit ihm treffe. Um ihm zur Verlobung zu gratulieren? Oder um ihm die Verlobung auszureden? Erwartungsvoll sehe ich ihn an und hoffe, dass er es mir sagen wird.
    «Ja.» Er fährt sich mit den Fingern durchs Haar und schaut auf den Tisch. «Und ich finde es wirklich großherzig von dir.»
    «Wirklich?» Es ist Grund Nummer eins. Er glaubt, ich bin hier, um ihm meinen Segen zu geben. Er findet, seine Exfrau ist reif und großzügig. Ich nehme mir vor, dieser Beschreibung zu entsprechen.
    Ben nickt. Er öffnet den Reißverschluss seines Sweatshirts ganz und zieht es aus. Mein Blick wandert zu dem vertrauten Loch im Ärmel. Ich bringe ein kleines Lächeln zustande. «Äh … danke.»
    Ich weiß, ich muss noch mehr sagen – ich muss die Worte aussprechen, die er von mir erwartet, aber ich bringe sie nicht heraus. Ich schaffe es einfach nicht, ihm meinen Segen zu geben und mich endgültig von ihm zu verabschieden.
    Stattdessen sage ich kläglich: «Ich möchte, dass du glücklich bist.»
    Das muss ihm genügen. Mehr kriege ich nicht hin.
    Jetzt folgt ein langes Schweigen. Ben fummelt mit einem Päckchen Süßstoff herum, und ich falte meine Jacke auf dem Platz neben mir noch einmal neu zusammen. Wir schauen uns gleichzeitig wieder in die Augen, und erschrocken sehe ich, dass er traurig ist.
    «Ich möchte, dass du auch glücklich bist, Claudia. Wirklich … Aber ich kann einfach nicht zulassen, dass du das tust.»
    Ich versuche seine Worte zu verarbeiten, aber sie ergeben einfach keinen Sinn. «Dass ich was tue?»
    «Dass du Richard heiratest.» Er deutet auf meine linke Hand.
    «Was?» Jetzt bin ich völlig durcheinander.
    Seine Stimme ist leise, und er spricht sehr schnell. «Ich weiß, du bist hergekommen, um mir zu sagen, dass du mit Richard verlobt bist. Und ich weiß, du glaubst, dass du mit ihm etwas gefunden hast, was wir nicht hatten. Er verspricht dir ein Leben, wie du es dir wünschst … ein Leben, wie du es verdienst … Ich weiß auch, dass ich zu spät komme. Viel zu spät. Versprechen sind gebrochen, Brücken zerstört worden. Ich möchte dir nur sagen … ich muss dir sagen, Claudia, dass ich dich von ganzem Herzen liebe und dass ich alles tun
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