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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte
Autoren: Christoph Quarch
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jetzt ein ganzes Buch über den Sinn des Lebens gelesen und viel darüber erfahren, was es alles für gute und weniger gute Theorien zu diesem Thema gibt. Aber eigentlich wollten Sie doch wissen, wie Sie ihn finden können. Wenn schon erfinden nicht so richtig geht. Und dazu hatte ich Ihnen noch nicht so viel erzählt; außer, dass ich dafür geworben habe, sich frei zu machen von dieser weit verbreiteten Meinung, Sie könnten durch Technik und Kunstfertigkeit den Sinn Ihres Lebens selbst machen; außer, dass ich Ihnen stattdessen ans Herz gelegt habe, das alte griechische Lebensgefühl zu kultivieren und apollinische Ordnung und dionysisches Chaos in Ihrem Leben zuzulassen und ins Gleichgewicht zu bringen. Genau daran aber möchte ich nun anknüpfen, wenn ich mich anschicke, Ihnen zum Ende dieses Buches dann doch noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg zu geben. Ja, das ist mir wichtig: Sorgen Sie dafür, dass Sie in gute Stimmung kommen: dass alle Saiten Ihrer Seele klingen dürfen; dass die große Symphonie Ihrer inneren Stimmen erklingen darf, ohne dass Sie eine davon zum Verstummen bringen; dass Sie sich gut integrieren in die verschiedenen systemischen Umfelder, in die Sie eingebunden sind: Partnerschaft, Familie, Firma etc. Ja, sorgen Sie dafür, dass der Dionysos in Ihnen gelegentlich seinen rauschhaften Taumel feiert und der Apollon das große Mobile Ihres Lebens immer wieder in die Balance bringt. Kurz: Seien Sie ein guter Komponist Ihres Lebens, ein guter Arrangeur, der mit offenen Augen und wachem Sinn die Dinge wahrnimmt, wie sie sind, und zu einer ganz und gar bejahbaren Symphonie verbindet.
    Das alles ist wichtig – aber das alles wird Ihnen nur dann wirklich gelingen, wenn Sie lieben. Und da hilft Ihr Wille Ihnen wenig. Liebe können Sie nicht machen. Sie können ES nur geschehen lassen. Und es wird geschehen, wenn Sie sich für den Anspruch des Lebens öffnen, sich von der Schönheit des Lebens ansprechen lassen – und wenn Sie Ihren Sinn für den Sinn immer mehr schulen und schärfen. Ja, mir scheint, das ist das Letzte, aber auch Wichtigste, was wir von den alten Griechen lernen können: eine erotische Liebeskunst, in der Dionysisches, Apollinisches und Aphrodisisches zusammengewoben sind. Und diese Liebeskunst – das ist es, worauf ich die ganze Zeit hinauswollte – hat laut Platon und Diotima eine spezifisch weibliche Komponente. Sie hat auch eine spezifisch männliche Komponente. Aber die weibliche Komponente ist die wichtigere. Ohne sie geht gar nichts. Wenn sie fehlt, dann kommt eine irgendwie windschiefe und schräge Lebenskunst dabei heraus. Dann mutiert der Eros zum Willen zur Macht – oder zur Selbstmächtigkeit. Und das ist nicht gut. Weil sich Sinn so nicht ereignet; weil gemachter Sinn flach bleibt und nicht so tief trägt wie der von den Göttern geschenkte.
    Diese Rede von der männlichen und der weiblichen Komponente der erotischen Lebenskunst (oder Liebeskunst) rührt her von einer weiteren Passage aus Platons Symposion . Sokrates stellt darin seiner Lehrerin eine merkwürdige Frage: »Wer sind des Eros’ Eltern?«, möchte er wissen. Und daraufhin erzählt Diotima den Mythos von der Geburt des Eros. In ihrer Version dieses Ereignisses ist er nun aber nicht der Sohn der Aphrodite, wohl aber wird er am Tag ihrer Geburt gezeugt. Was so viel sagen will wie: Ohne die Gegenwart der hinreißenden göttlichen Schönheit wird kein Herz zur Liebe entfacht.
    Und dann geht es weiter: »Als Aphrodite geboren wurde, hielten die Götter ein Festmahl. Mit dabei war auch Poros, der Sohn der Metis [= der Klugheit]. Als sie nun gespeist hatten, kam, um zu betteln, auch Penia, und stand an der Türe. Poros nun, trunken vom Nektar – denn Wein gab es noch nicht – ging in den Garten des Zeus hinaus und schlief schwer berauscht ein. Penia aber, die wegen ihrer Dürftigkeit darauf sann, sich ein Kind von Poros machen zu lassen, legte sich zu ihm und empfing den Eros.« – Was soll das?
    Also, schau’n wir mal! Wer sind diese eigenartigen Eltern des Eros? Da ist zunächst Poros. Póros ist ein griechisches Wort, das mit unserem Wort »Pore« verwandt ist. Es bedeutet: Der Ausweg, Ausgang, die Ausflucht; aber auch der Ausdruck. Entsprechend porträtiert Diotima den Eros nach seinem väterlichen Erbe als einen findigen, schlauen und vor allem kreativen Kerl, der nie um einen Ausweg verlegen ist und stets couragiert dem Schönen und Guten nachstellt – »sein Leben lang philosophierend, ein
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