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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte
Autoren: Christoph Quarch
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anmaßend, doch ging man darüber hinweg, um zu hören, was das quirlige Männlein zu sagen habe. »Es hat nichts geholfen, weil Ihr den Menschen keine Belohnung in Aussicht gestellt habt. Machen Sie sich doch einmal Folgendes klar, mein Herr«, dabei blickte er auf zum Thron, »die Menschen wollen alle glücklich sein.«
    »Richtig«, brummte der alte Aristoteles in der ersten Reihe, was Mill offenbar beflügelte, so dass er keck fortfuhr: »Also müsst Ihr sie glücklich machen, wenn sie sich an die Gebote halten. Sie brauchen eine Belohnung für ihre Moralität; und zwar nicht erst im Himmel, sondern schon auf Erden.«
    Er lächelte triumphierend und sah nicht, dass Kant kotzte. Ein schrecklicher Anfall überkam den Königsberger. Alle waren peinlich berührt, und es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis er sich erholt hatte.
    »Mit Verlaub«, warf er ein, »so wird das nichts. Glück als Belohnung – was für ein billiger Handel. Ach, mein Herr«, und dabei wandte er sich unter innerer Pein zu Mill, »Sie sind eine Krämerseele, die sich wohl aufs Rechnen versteht, nicht aber aufs Denken.«
    Kaum hatte Kant so gesprochen, da brauste ein Sturm auf: »Recht hat Kant«, riefen Nietzsche, Heidegger, Schelling und eine befremdlich anmutende Schar deutscher Denker.
    »Recht hat Mill«, rief Adam Smith und mit ihm ein ganzes Heer englisch sprechender Herren in Maßanzügen. Ein großes Durcheinander entstand, und es bedurfte eines donnernden »Stopp« vom himmlischen Thron, um der drohenden Saalschlacht ein Ende zu bereiten.
    »So nicht!«, sprach Gott und schaute streng. »So nicht! Wir haben euch machen lassen, meine Herren. Wir haben eure Moral zugelassen! Wir haben eure Erziehungsmodelle zugelassen! Ja, wir haben sogar eure Ökonomie zugelassen! Pah, ›unsichtbare Hand‹, lächerlich!« Der Ewige blickte angewidert auf die Herren in den Anzügen (dabei hatte er selber einen schicken Maßanzug im Schrank hängen!). »Es hat alles nichts geholfen. Es ist alles immer nur schlimmer geworden. Selbst mein Sohn hat nicht viel bewirken können – weil ihr mit euren dämlichen Philosophien alles verhunzt habt!« – Betretenes Schweigen. – »Ich will davon nichts mehr wissen! Wenn ich nicht sogleich einen vernünftigen Vorschlag höre, dann, dann …« – Angst breitete sich im Universum aus – »… dann knallt es!«
    »Was, ein neuer Urknall?« Herr Einstein, der bis dato vor sich hin geträumt hatte, war plötzlich aufgewacht.
    »Ach was!«, rief da der Herr der Heerscharen , »viel schlimmer: Ich schicke ein Bataillon Propheten!«
    Da zuckten sie zusammen, die Herren Philosophen. Ausgerechnet ihre Erzrivalen sollten das Rennen machen! Und dennoch brachte keiner ein Wort hervor – wirklich keiner? Nein, einer stand auf, zupfte sich am Bart, kratzte sein wirres Haar und sprach: »Gesetzt die Wahrheit ist ein Weib, könnte es wohl sein, dass keiner der hier versammelten Herren sich gut auf Weiber verstanden hat?« Feurigen Auges blickte Nietzsche in die Runde. »Dass der schauerliche Ernst, die linkische Zudringlichkeit, mit der sie bisher auf die Wahrheit zuzugehen pflegten, ungeschickte und unschickliche Mittel waren, um gerade ein Frauenzimmer für sich einzunehmen?« Er blickte auf und sah mit Genugtuung, dass der Mächtige ihn mit der Rechten ermutigte, fortzufahren. »Fest steht, dass sie sich nicht hat einnehmen lassen.« Alle blickten gebannt auf den komischen Kauz mit dem Walrossbart. »Nun«, sprach er weiter, »ist die Zeit der letzten Menschen gekommen. Sie wissen nicht mehr, wie man einen tanzenden Stern gebiert. Sie haben wohl ein Lüstchen für die Nacht und ein Lüstchen für den Tag. Sie ehren die Gesundheit und behaupten, das Glück erfunden zu haben«, hier warf er einen verächtlichen Blick auf Mill, Smith und die Anzugträger, »aber sie sind klein geworden – klein wie Erdflöhe. Denn«, er erhob sein Haupt, und eine leuchtende Aureole umgab ihn, »sie haben kein Chaos mehr in sich!«
    »Gut gesprochen«, donnerte Gott . »Und was ist zu tun?«
    »Maestro«, sprach Nietzsche, »ich habe Sie zwar für tot erklärt, aber das galt nur für das, was dieser elende Pöbel aus Ihnen gemacht hat. Darum habe ich mich erkühnt, meinen eigenen Propheten zu erfinden: Zarathustra. Schicken Sie ihn – ihn, den Propheten des Gottes, der zu tanzen versteht. Schicken Sie ihn, auf dass er den Menschen gibt, was sie brauchen; auf dass er den Sinn für den Sinn neu in ihnen entfacht! Denn eines tut not, Maestro:
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