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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte
Autoren: Christoph Quarch
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seine Pressen so teuer vermietet, wie er nur wollte, und dadurch viel Geld verdient.«
    Nun, gemessen an den Maßstäben einer Zeit – unserer Zeit –, die Sinn und Nutzen einer Sache allein nach ihrem Geldwert zu schätzen vermag, waren die naturphilosophischen Studien des Thales offenbar keineswegs fruchtlos. Und ich wage zu behaupten: nicht nur sie. Im Ernst, ich wage – komische Käuze hin oder her – zu behaupten: Philosophie ist ein äußerst nützliches Geschäft; mehr noch, sie ist ein wertvolles und sinnvolles Unterfangen, heute mehr denn je. Was Sie in Händen halten, ist geschrieben, um den Beweis dafür anzutreten: dass ein leidenschaftliches und mutiges Philosophieren für ein gelingendes Leben auf Erden absolut notwendig ist.
    Eine steile These, finden Sie? Aber klar doch. Und ich bin mir wohl bewusst, dass ich Ihnen und mir einiges zumute, wenn ich sie Ihnen ans Herz legen möchte. Aber glauben Sie mir, es geschieht um Ihretwillen, um unser aller willen. Denn die Zeit braucht denkende Menschen. Sie braucht Menschen, die den Mut haben, das zu tun, was laut Heidegger und Sokrates das Kerngeschäft des Philosophierens ist: das Selbstverständliche in Frage zu stellen; unsere Denkmuster zu knacken; unsere Weltsicht zu erschüttern; unsere oft leeren Begriffshülsen zu entsorgen; den geistigen Müll rauszubringen, der sich in unser aller Köpfen über die Jahre und Jahrhunderte angesammelt hat.
    Wir brauchen eine geistige Entgiftungskur, denn es könnte ja sein, dass die vielfältigen Krisensymptome unserer Gegenwart etwas damit zu tun haben, dass unser Denken intoxiniert ist – dass wir Begriffen, Konzepten, Strukturen, Ideen anhaften, die uns den Blick auf uns selbst, das Leben, die Welt und (gerne auch) auf Gott trüben und verschatten; und dass wir deswegen unser Denken neu durchdenken müssen. Nicht denken ist auch keine Lösung – auch wenn es manchmal verführerisch scheint, sich ganz der gedankenlosen Stille der östlichen Weisheitslehren zu überlassen.
    Womit nichts gegen diese gesagt sein soll, sondern nur eine ganze Menge für das so gar nicht gedankenlose Projekt der Philosophie. Im Ernst: Wir sind heute gut beraten, unser Denken zu durchdenken. Wir sind gut beraten, der Philosophie einen Ort in unserem Leben zu geben, weil sie uns tatsächlich zu heilen vermag – zu heilen von dem Irrsinn, der auf Erden wütet. Und dabei denke ich nicht einmal so sehr an solche Phänomene wie die maßlos heißlaufende Finanzwirtschaft, die mannigfaltigen ökologischen Katastrophen oder den durch nichts zu rechtfertigenden Hunger in der Welt. Ich rede von der Leere und Verzweiflung, die unser Lebensstil in immer mehr Menschen hinterlässt. Sie wissen nicht, was ich meine? Dann lassen Sie mich deutlicher werden.
    Sinnfinsternis
    Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Es handelt sich um die Ankündigung zu einem Themenabend auf ARTE: »Depression ist in den Industriestaaten mittlerweile die Volkskrankheit Nummer eins. Mehr als fünf Prozent der Bevölkerung sind akut betroffen. Und jeder fünfte Mensch wird einmal in seinem Leben depressiv. Trotzdem wird die Krankheit immer noch tabuisiert und unterschätzt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass Depressionen nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits im Jahr 2020 weltweit zu den zweithäufigsten Krankheiten gehören werden. Ein weiterer dramatischer Befund besagt, dass ungefähr zwei- bis dreimal so viele Frauen wie Männer an Depressionen erkranken.«
    Dramatisch, fürwahr. Oder wie geht es Ihnen, wenn Sie lesen: »Vier Millionen Deutsche leiden an einer Depression. Vielen Betroffenen erscheint das Leben sinnlos, nichts bereitet ihnen Freude.« Und wenn wir den Demoskopen und Gesundheitswissenschaftlern Glauben schenken, ist das nur die Spitze des Eisbergs. So drängt sich der Eindruck auf, die Seuche unserer Zeit heiße Sinnverlust . Die Menschen wissen nicht mehr, was der Sinn ihres Lebens ist. Sie haben den Sinn für den Sinn verloren. Oft haben sie alles, was man zu einem angenehmen Leben braucht, die wenigsten (hierzulande, wohlgemerkt) leiden materielle Not, und doch hat sich in ihren Seelen ein Gefühl des Ungenügens eingenistet. Sie sind nicht glücklich. Wie in einem Hamsterrad rennen sie unaufhaltsam durch ihr Leben, ohne dabei je von der Stelle zu kommen. Sie konsumieren und kaufen, suchen Zerstreuung und Unterhaltung und klagen doch über Stress, fehlende Zeit, innere Erschöpfung. Vor allem die Arbeit scheint ein
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