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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte
Autoren: Christoph Quarch
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Lehren wir sie … tanzen!«
    Ein Raunen ging durch die Versammlung. Welch unerhörte Rede! Und da war keiner, der nicht gebannt zum Thron geblickt hätte.
    Gott schaute nachdenklich, doch dann hub er an, in die Hände zu klatschen. Und die Herrlichkeit der Himmel leuchtete um ihn. Er klatschte und klatschte. Der ortlose Ort bebte, die Philosophen warfen die Käppis in die Höhe – und Nietzsche lachte.
    Und dabei wäre es wohl geblieben, wenn nicht, ja wenn nicht zwei betagte Greise den allgemeinen Tumult genutzt hätten, um sich unbemerkt vor den göttlichen Thron zu schleichen. Da standen sie nun – mit ihren langen, weißen Bärten in altertümlich anmutender Gewandung. Was aber das Befremdlichste war: Sie standen dort und hielten Händchen.
    Als die Herren Denker nach und nach der wunderlichen Erscheinung gewahr wurden, hielten sie inne und zogen sich auf ihre Plätze zurück – gespannt, welche Sensation sich nun zutragen werde. Auch das göttliche Klatschen verhallte. Der Ewige beugte sich vor, maß die würdigen Alten mit einem achtsamen Blick, runzelte die Stirn und ließ sich wie folgt vernehmen: »Sokrates, Platon – was habt ihr zu sagen? Hat euch nicht gefallen, was der junge Mann über das Chaos und den Tanz …«
    »Durchaus, durchaus«, fiel ihm Sokrates ins Wort, »das war ganz in meinem Sinne! Oh, wie ich den Tanz liebe! Komm, mein lieber Platon, lass uns ein Tänzchen wagen!« Und er legte die Linke auf seines Freundes Schulter, schnippte mit den Fingern, wiegte seine Hüfte und begann: »Badan, badan, badadadan …«
    Und nun hätte er wohl wirklich den Sirtaki zu tanzen begonnen, wenn nicht Platon ihn in die Rippen gestoßen hätte: »Meister, du wolltest etwas fragen!«
    »Richtig«, fiel es Sokrates ein, »mein lieber Zeus, da war eine winzige Frage, die ich nicht unterdrücken kann. Darf ich sie stellen? Bitte!«
    Gott , der diese Anrede lange nicht mehr vernommen hatte, lächelte freudig in sich hinein und winkte dem Sokrates sein Einverständnis zu.
    »Sag, mein Freund«, hub dieser an, »dünkt nicht auch dir, dass hier etwas fehlt?«
    »Etwas fehlt?«, der Ewige blickte ratlos in die Runde. Allgemeines Achselzucken. Sokrates galt als Nervensäge. – »Ja, was soll denn fehlen?«, fragte er schließlich.
    »Hast du nicht einst die Welt geschaffen?«, erwiderte Sokrates.
    »Aber gewiss doch.«
    »Und nicht nur die Welt als solche, sondern auch alles, was darin kreucht und fleucht?«
    »Na sicher!«
    »Also auch die Menschen, oder?«
    »Sokrates, komm zur Sache! Wir wollen dich nicht noch einmal wegen Gotteslästerung strafen.« Der Ewige schien genervt.
    Sokrates ließ sich davon nicht beirren: »Und, sag mir, mein Freund: Als was schufst du den Menschen?«
    »Zu meinem Bilde schuf ich ihn.«
    »Selbstredend, aber da war doch noch was: Du schufst ihn als Mann und …, na?«
    »… als Frau!«
    »Richtig!« Sokrates hüpfte in die Höhe und drehte sich einmal im Kreis. »Und was fehlt hier also?«
    »Eine Frau?« Gott kratzte sich am Bart.
    »Genau dies«, fiel nun Platon ein, »und eben deswegen rufe ich nun meine liebe Freundin Diotima in unsere Mitte, denn so viel ist gewiss, meine verehrten Herren, die ihr – mit Verlaub – ja ohnehin nichts anderes seid als – ähäm – Fußnoten zu meinen Werken (Platon galt als ein bisschen arrogant); so viel also ist gewiss, dass ihr allein aus ihrem Munde hören werdet, was es ist, das wir den Menschen geben müssen. So wahr mein Freund Nietzsche – ach, hätte er doch nur erkannt, dass er mein Freund und nicht mein Rivale ist. Aber das ist nun wieder eine andere Geschichte …« Er schien jetzt richtig in Fahrt zu kommen: »So wahr also mein junger Freund hier gesprochen hat, so versäumte er doch zu sagen, was es braucht, damit der Tanz des Menschen auch gelinge. Und eben das wird euch diese hier verkünden.«
    Kaum dass er so gesprochen hatte, stand auch schon zu seiner Seite eine ehrwürdige Dame, deren milde Schönheit und liebliche Aura so manchen der knöchernen Denker im Innersten erwärmten.
    Gott lehnte sich zufrieden zurück, lächelte ihr ermutigend zu und sprach: »Nun, Diotima, es heißt, du habest die Weisheit, uns zu sagen, was den Menschen fehlt, auf dass sie den Sinn für den Sinn zurückgewinnen. Es heißt, deine Weisheit gehe noch über die unseres jungen Nietzsche hinaus, der uns empfahl, die Menschen tanzen zu lehren. Es heißt, du habest Besseres und Schöneres zu sagen als neue Gebote und Imperative. Es heißt, du
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