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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte
Autoren: Christoph Quarch
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Köpfen Sinnerwartungen und Sinnkonzepte festgesetzt haben, die unsere Sinnsuche in eine falsche Richtung lenken. Mir scheint, die Sinnfinsternis ist allem voran eine Folge unserer europäischen Ideengeschichte. Ja, ich wäre versucht zu sagen, die Philosophen haben es verbockt. Und eben deshalb stehen sie in der Pflicht, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Wie ich das meine? Schauen wir mal.
    Zunächst sollten wir uns kurz darüber verständigen, dass wir heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, auf eine lange und verschlungene »Geistesgeschichte« zurückblicken, in der so ziemlich jeder Gedanke schon einmal gedacht wurde. Denn über eines müssen Sie sich im Klaren sein: Nichts, was Sie denken, ist selbstverständlich. Nichts. Jeder Gedanke hat eine Geschichte. Jeder Begriff ist aufgeladen mit Bedeutungen und Theorien, die frühere Denker darüber angestellt haben. Und all diese Deutungen und Sichtweisen schwingen mit, wenn wir einen Gedanken denken oder einen Begriff aussprechen. Nehmen wir – naheliegenderweise – den Begriff »Sinn«, ein Konzept, das alles Mögliche bedeuten kann. Und das in tausenderlei Weise gedeutet wurde – und missdeutet wurde, wie ich hinzufügen möchte. Wenn ich, Sie oder sonst jemand heute über Sinn philosophiert, dann sollten wir uns dessen bewusst sein, dass Tausende andere dabei mit von der Partie sind, ein ganzer Rat von Denkern, deren Theorien und Gedanken über den Sinn mit im Raume schwingen; weil wir in deren »Wirkungsgeschichte« und damit unter ihrem Einfluss stehen, ob wir wollen oder nicht, wie der Philosoph Hans-Georg Gadamer in seiner Philosophischen Hermeneutik dargestellt hat. Wir tun es einfach. Und zwar unbewusst.
    Und da liegt das Problem. Denn auf diese Weise läuft unser Denken Gefahr, kontaminiert zu werden – vergiftet durch Missverständnisse, Fehldeutungen, Abwege, Holzwege, Irrwege –, weil wir, um bei unserem Thema zu bleiben, Sinn oft so verstehen, wie ihn einige Vordenker der Vergangenheit deuteten, deren Sichtweise sich durchgesetzt hat. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass sie hilfreich oder wahr ist – und dass sie uns dazu befähigt, den Sinn des Lebens auch wirklich zu erschließen.
    Ich werde später noch einmal darauf zurückkommen, möchte aber schon an dieser Stelle auf die vier gängigsten Deutungen von Sinn hinweisen, die sich im Zuge des westlichen Denkens herausgebildet haben – vier Deutungen, die zwar wichtige Aspekte eines sinnvollen Lebens berühren und uns eine gewisse Wegstrecke unseres Lebens begleiten und tragen können, für sich allein genommen aber oft das Gegenteil davon bewirken.
    1.»Werde, was du bist!« – Die Gleichsetzung von Sinn und Bedeutung
Zunächst wäre da die Vorstellung, der Sinn des Lebens sei so etwas wie ein geheimer Plan, den Gott, das Schicksal, die Vorsehung oder wer auch immer für uns habe. Als gebe es für jeden irgendwo etwas, das er seinem Wesen nach ist: eine Art Rollenbeschreibung oder Drehbuch, die auszuführen oder umzusetzen das faktische Leben zu einem sinnvollen Leben macht. Oder anders gesagt: Sinnvoll ist das, was mit dem übereinstimmt, was es seinem Wesen – seiner Essenz – nach ist; wenn es nach Maßgabe dessen, was es bedeutet , richtig ist.
    2. »Mensch, es ist dir gesagt, was gut ist!« – Die Gleichsetzung von sinnvoll und gut Eng damit verbunden ist die über lange Zeit sehr einflussreiche Idee, das Leben des Menschen sei genau dann sinnvoll, wenn es gut ist – und zwar gut in einem moralischen Sinne: wenn es bestimmten moralischen Standards und Normen entspricht, göttlichen Geboten oder auch dem moralischen Sittengesetz, wie Immanuel Kant es formulierte. Das heißt: Sinnvoll ist etwas genau dann, wenn es so ist, wie es sein soll; wenn es nach Maßgabe dessen richtig ist, was ihm geboten und aufgetragen ist.
    Diese beiden Deutungen sind einander verwandt, denn sie gehen beide davon aus, man müsse sich an einem Ideal orientieren, um sinnvoll zu leben: einem von Gott, der Vernunft oder dem Schicksal herrührenden Standard, der definiert, wer oder was ich als Einzelner eigentlich bin (Deutung 1) oder wie ich als Vertreter der Gattung Mensch eigentlich zu sein habe (Deutung 2).
    3. »Mach dich nützlich!« – Die Gleichsetzung von Sinn und Zweck Die dritte Deutung ist ein Kind der Philosophie der Aufklärung, genauer des englischen Utilitarismus. Diese Moralphilosophie machte ein Denken hoffähig, das die alte Frage nach dem guten und sinnvollen Leben unter
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