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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot
Autoren: Peter James
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rebellischer. Warum ich?, lautete die ständige Frage.
    Eine Frage, die Lynn nicht beantworten konnte.
    Unzählige Male hatte sie voller Angst in der Notaufnahme des Royal Sussey County Hospital gesessen, während man ihre Tochter behandelte. Als sie dreizehn war, hatte man Caitlin den Magen ausgepumpt, nachdem sie eine Flasche Wodka aus dem Barschrank geklaut hatte. Mit vierzehn war sie im Haschischrausch von einem Dach gestürzt. Dann war da die schreckliche Nacht, in der sie um zwei Uhr morgens mit glasigen Augen, schweißüberströmt und zähneklappernd in Lynns Schlafzimmer aufgetaucht war und verkündet hatte, sie habe eine Ecstasy-Tablette geschluckt, die ihr irgendein Typ in Brighton gegeben hatte. Ihr Kopf tue weh.
    Jedes Mal kam Dr. Hunter ins Krankenhaus und blieb bei Caitlin, bis sie außer Gefahr war. So war er eben.
    Die Tür ging auf, und er kam herein. Hochgewachsen, aufrecht, elegant im Nadelstreifenanzug, mit gutgeschnittenem Gesicht, graumelierten Haaren und sanften grünen Augen hinter einer halbmondförmigen Brille.
    »Kommen Sie herein, Lynn!«, sagte er. Seine kräftige, energische Stimme klang an diesem Morgen seltsam bedrückt.
    Für Dr. Ross Hunter gab es zwei Gesichtsausdrücke, mit denen er seine Patienten begrüßte. Einmal das normale, warme und aufrichtige Lächeln, mit dem er Lynn in den ganzen letzten Jahren empfangen hatte. Aber es gab da auch die düstere Miene, bei der er die Zähne in die Unterlippe grub. Eine Miene, die er gewöhnlich nicht zeigte.
    Lynn sah sie an diesem Tag zum ersten Mal.

3
    ES WAR EINE GÜNSTIGE Stelle für eine Radarfalle. Das wussten die Pendler, die regelmäßig über diesen Abschnitt der Lewes Road nach Brighton hineinfuhren. Obwohl eine Geschwindigkeitsbegrenzung von sechzig Stundenkilometern galt, konnten sie nach der Ampel ungehindert beschleunigen und mussten auf der Schnellstraße nicht mehr abbremsen, bis sie die Radarfalle in anderthalb Kilometern Entfernung erreichten.
    Für jene, die sich nicht auskannten, war der BMW-Kombi mit der auffällig bunten Markierung, der in einer Seitenstraße parkte und halb hinter einer Bushaltestelle verborgen war, eine unerfreuliche Überraschung am frühen Morgen.
    Police Constable Tony Omotoso stand neben dem Wagen, stützte das Lasermessgerät auf dem Dach ab und zielte mit dem roten Punkt auf die vorderen Kennzeichen der Fahrzeuge; bei einer Toyota-Limousine drückte er den Auslöser. Die Digitalanzeige meldete siebzig Stundenkilometer. Der Fahrer hatte die Polizisten entdeckt und auf die Bremse getreten. Die strengen Richtlinien sahen eine Toleranz von zehn Prozent über dem Tempolimit plus drei km/h vor. Der Toyota fuhr mit leuchtenden Bremslichtern weiter. Als Nächstes richtete Omotoso das Gerät auf das Nummernschild eines weißen Ford Transit – neunundsechzig Stundenkilometer. Dann schoss eine schwarze Harley Softail vorbei, die viel zu schnell für eine Messung war.
    Links von ihm wartete startbereit sein Kollege PC Ian Upperton mit Mütze und gelber Sicherheitsjacke. Beide Männer froren.
    Upperton betrachtete die Harley. Er liebte Motorräder, und es war sein großer Traum, Motorradpolizist zu werden. Allerdings waren Harleys Reisemaschinen, während seine wahre Leidenschaft den Rennmotorrädern wie BMW, Suzuki Hayabusa oder Honda Fireblade galt. Mit denen musste man sich richtig in die Kurve legen, nicht nur an den Handgriffen wie an einem Lenkrad kurbeln.
    Eine rote Ducati tauchte auf, doch der Fahrer hatte sie schon gesehen und kroch im Schneckentempo vorüber. Der klapprige grüne Fiesta auf der Überholspur allerdings nicht.
    »Der Fiesta!«, rief Omotoso. »Dreiundachtzig!«
    PC Upperton trat vor und winkte den Wagen an den Straßenrand, doch der fuhr einfach weiter.
    »Na schön.« Er wiederholte laut – »Whiskey Vier-Drei-Zwei Charlie Papa November« – und sprang hinters Steuer.
    »Arschlöcher!«
    »Blöde Wichser!«
    »Warum jagt ihr keine richtigen Verbrecher?«
    »Ja, statt arme Autofahrer zu verfolgen.«
    Tony Omotoso drehte sich um und sah zwei Jugendliche vorbeischlendern.
    Weil auf englischen Straßen in jedem Jahr 3500 Menschen sterben, während nur 500 ermordet werden, darum, hätte er am liebsten gesagt. Weil Ian und ich Tag für Tag tote und zermalmte Körper von der Straße kratzen, und das nur wegen solcher Arschlöcher wie dieses Fiesta-Fahrers.
    Aber dafür blieb keine Zeit. Sein Kollege hatte schon das Blaulicht aufs Dach gesetzt und die Sirene eingeschaltet. Er warf
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