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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer
Autoren: Corina Bomann
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mehr davon auf Lager, glaub mir.«
    »Und wenn das rauskommt? Sie kommt doch in Teufels Küche!«
    »Das weiß sie. Deshalb lässt sie hier nur Leute rein, die vertrauenswürdig sind. Ich bin sozusagen eure Eintrittskarte. Nimm ruhig so viele Bücher, wie du für dein Geld kriegen kannst. Retten kannst du sie allerdings nicht, weil sie wohl gar nicht gerettet werden will.«
    Ich nahm also einen Böll und »Spur der Steine«, mehr des Titels als des Inhalts wegen, außerdem den Solschenizyn und den Melville. Max und Flocke gingen mit jeweils drei Büchern unterm Arm zur Kasse. Kalle wollte sich außerdem einen Spaß daraus machen, das Manifest, das er runtergeworfen hatte, mitzunehmen.
    Die Buchhändlerin legte ihr Buch beiseite, als sie uns kommen hörte.
    »Habt ihr die Tür zugemacht?«, fragte sie, woraufhin wir einhellig nickten. Wir waren ein Teil von etwas Verbotenem in der DDR !
    »Ist das nicht gefährlich, was Sie machen?«, fragte ich, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand außer uns im Buchladen war.
    »Was denn?«, fragte sie mit Unschuldsmiene, während sie uns abkassierte. »Ich verkaufe Bücher, was ist daran schon gefährlich?«
    Fürchtete sie, abgehört zu werden? Oder ging die Fantasie mit mir durch? Ich fragte nicht weiter, nahm meine Bücher, nachdem sie sie uns in Packpapier eingewickelt und mit einem Band zu einem Bündel mit Tragelasche verschnürt hatte.
    »Ihr solltet euch einen Beutel oder ein Einkaufsnetz besorgen«, legte sie uns ans Herz. »Hier bekommt man keine Plastiktüten wie bei euch, und ihr wollt euch doch nicht die Hände zerschneiden an dem Band.«
    Draußen standen wir vollkommen verdattert da. Was war das eben gewesen? In keinem Buchladen auf unserer Seite konnte man so etwas erleben – nur hier. Ein Grund zur Freude war das aber nicht. Ich fühlte mich, als wäre ich gerade bei einem dieser Agentenaustausche dabei gewesen, über die ich im Fernsehen mal einen Bericht gesehen hatte. Oder als hätte ich ein Kilo Hasch in dem Päckchen.
    Nachdem wir dem Rat der Buchhändlerin gefolgt waren und unsere »heiße Ware« in geblümten Dederon-Beuteln – so nannte sie die Verkäuferin – verstaut hatten, schlug Max vor, mit der U-Bahn noch ein Stück weiter rein nach Ostberlin zu fahren.
    »Haste da noch mehr Bekannte in irgendwelchen Läden?«
    Max schüttelte den Kopf. »Nee.«
    Unterwegs kamen wir an einer Gaststätte vorbei, die auf einem Schild »Broiler« anpries.
    »Brathähnchen«, erklärte Max, und als Flocke und Kalle ihn verwundert ansahen, deutete er auf die Abbildung eines feder- und kopflosen Huhns.
    An einem Stand nahe dem Bahnhof kauften wir etwas, das wie ein Hotdog aussah, ein Brötchen mit Loch, in dem eine mit Ketchup beschmierte Wurst steckte, dann stiegen wir hinab in die U-Bahn-Station Alexanderplatz.
    Das Donnern eines ausfahrenden Zuges empfing uns. Weiter unten, in Bereichen, die für die DDR -Bürger nicht zugänglich waren, verkehrten unsere U-Bahnen, allerdings ohne anzuhalten.
    Wir schlängelten uns zwischen den Leuten hindurch, schauten auf die Anzeige und entschieden uns schließlich für die U-Bahn in Richtung Pankow.
    Max machte sich auf die Suche nach Fahrkarten, Flocke und Kalle beäugten ein paar Mädchen, die sich extrem schnell auf Russisch unterhielten.
    Und dann fuhr der Zug in Richtung Pankow ein.
    Unwillkürlich musste ich an den Song von Udo Lindenberg denken. Stellte er sich den Sonderzug nach Pankow so vor? An der U-Bahn war nun wirklich nichts Besonderes, bis …
    … der Blitz einschlug!
    Das Mädchen, das sich gerade auf einen der Sitze am Fenster niederließ, war etwas jünger als ich, ich schätzte sie auf sechzehn oder siebzehn. Ihre Haarfarbe erinnerte mich an Karamellbonbons. Es war kein richtiges Blond, auf keinen Fall Braun und auch nicht Rot. Irgendwas dazwischen. Werthers Echte oder so.
    Das Eindrucksvollste an ihr waren aber ihre Augen. Selbst durch die schmutzige Scheibe des Zugabteils, selbst im Schein der U-Bahn-Beleuchtung, sah ich, dass sie grünblau waren, so leuchtend, als würde ihr jemand eine Taschenlampe ins Gesicht halten. Kurz schien es, als würde sie mich direkt ansehen, dann allerdings wandte sie sich wieder um.
    Ich kann nicht genau beschreiben, was ich in dem Augenblick fühlte, ich war mir nur sicher, dass ich so ein Mädchen noch nie gesehen hatte. Ich musste ihr noch einmal ins Gesicht schauen, in ihre wunderbaren Augen!
    Mein Körper reagierte, bevor mein Verstand mit Einwänden kommen
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