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Und Freunde werden wir doch

Und Freunde werden wir doch

Titel: Und Freunde werden wir doch
Autoren: Sabine Jörg
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bekommt. Übrigens hat Herr Rahm - so heißt er -heute schon hier angerufen.«
    Sandra ist erstaunt: »Bei Ihnen?«
    »Ja, bei mir. Morgens um halb acht. Und er war reichlich ungehalten. Ich meine, ich verstehe seinen Ärger schon, er will eben seinen Schaden ersetzt haben. Das ist nur recht und billig.«
    »Und was haben Sie gesagt?«
    »Na ja, ich habe ihn vertröstet. Mir ist aber gar nicht wohl dabei.«
    »Ich bin heute morgen bei Herrn Rahm vorbeigekommen. In der Schule habe ich gleich angefangen zu sammeln. Besonders viel habe ich noch nicht zusammengekriegt.«
    »Eine gute Idee, versuch es nur weiter. Ich gebe natürlich auch was!«
    Das Telefon klingelt. Dr. Melchior wird dringend gebraucht. Wie von einem alten Vertrauten verabschiedet sich Sandra, sie hat das Gefühl, den Arzt schon seit Jahren zu kennen.
    Sie läuft zur U-Bahn zurück. In ihrem Kopf überstürzen sich mal wieder die Gedanken. Warum hat Ronni das bloß gemacht? Ist er wirklich verzweifelt gewesen? Hat er sich hier so unglücklich gefühlt? Er war oft so abwesend, gar nicht lebendig, wahrscheinlich hat er mit niemandem darüber sprechen können, und das ist ihm alles zuviel geworden.
    Sie versucht es sich vorzustellen: Ronni, ein unberechenbarer Schläger? Nein, das ist er wirklich nicht. Aber fast erscheint er ihr bewundernswert, dieser Mut zur Tat. Das würde ich mich nie trauen, nie.
    Sandra biegt um die Ecke und geht direkt auf die Bibliothek zu. Beide sind da, Frau Gütlein und Frau Müller. Sandra grüßt sie freundlich, sie schämt sich nicht mehr vor Frau Müller, ganz im Gegenteil, sie fühlt sich ihr irgendwie fast freundschaftlich verbunden. Verbunden vielleicht durch ein gemeinsames Wissen oder Anliegen.
    Sandra wartet geduldig, bis gerade nicht soviel Betrieb ist. Dann wendet sie sich mit einer Bitte an die beiden Frauen. Und obwohl sie zu den Bibliothekarinnen großes Vertrauen hat, benutzt sie die Notlüge:
    »Der Sohn von Herrn Ramirez hatte einen Unfall. Er ist in ein Schaufenster gefallen. Ich sammle, damit der Schaden bezahlt werden kann.«
    Frau Müller und Frau Gütlein sind bestürzt. Als erstes erkundigen sie sich nach Ronni.
    »Hat er sich weh getan?«
    »Wie geht es ihm?«
    Sandra beantwortet alle Fragen, um dann mehr oder weniger unauffällig wieder auf das Geld zurückzukommen: »Die Scheibe, sie ist teuer, und Ronnis Eltern haben sicher nicht soviel Geld!«
    »Ja, natürlich, das dürfen wir nicht vergessen!« Frau Gütlein zückt schon den Geldbeutel, während Frau Müller in ihrer Tasche herumkramt.
    Zweimal fünfzig Mark bekommt Sandra, und das ist mehr, als sie sich erhofft hatte. Sie bedankt sich überschwenglich.
    »Nicht der Rede wert«, wehrt Frau Gütlein ab. »Wichtig ist ja erst einmal, daß der Junge wieder gesund wird! Übrigens -«, sie fährt sich mit der Hand langsam über die Stirn, »- lernst du seinetwegen Spanisch?« Sandras Wangen färben sich rosa. Ihr Lächeln ist den beiden Frauen Antwort genug.

18

    »Ich glaube, hier könnte ich es aushalten.«
    Ronni fühlt sich, als hätte er drei Großväter auf einmal. Nachdem er nicht mehr so viel schläft wie in den ersten Tagen, wetteifern die Männer darum, dem Jungen den Krankenhausaufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.
    Herr Mühlbach verwöhnt Ronni mit den besten Pralinen, während der alte Ruhnau ihm eine Geschichte nach der anderen erzählt. Er stammt aus Ostpreußen. Hinter seiner gemütlichen, ein wenig schwerfälligen Art zu sprechen, verbirgt sich großer Witz. Meist beginnen die Geschichten ganz harmlos, aber am Ende weiß Ronni nie, was Ruhnau nun wirklich erlebt und was er erfunden hat.
    Der dritte, Herr Fink, hält etwas mehr Distanz. Er sieht so aus, als hätte er sich zuviel geärgert in seinem Leben, dünn und faltig. Auch hier mäkelt er ständig herum. Aber was Ronni angeht, da ist er völlig in Ordnung. »Junge, sieh zu, daß du was Anständiges lernst«, sagt er jeden Tag mindestens einmal. »Dann können sie dich nicht so herumschubsen, wie sie das mit mir gemacht haben.«
    Als Herr Ruhnau einmal nachfragt, was er denn für einen Beruf habe, da antwortet er nur: »Ach, lassen Sie mich damit in Ruh’.«
    Ronni ist bestens aufgehoben in der Gesellschaft dieser Männer. Sogar sein Deutsch wird plötzlich besser. Und keiner hat ihn bisher gefragt: »Woher kommst du eigentlich?« Fast komisch, daß niemand fragt. Aber Ronni ist froh: Chile, das ist nun endgültig vorbei. Hier kann man es auch aushalten.
    »Sag mal«, Herr
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