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Und Finsternis wird kommen

Und Finsternis wird kommen

Titel: Und Finsternis wird kommen
Autoren: Isaac Asimov
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und jeder Kunde mußte sich vor Antritt der Fahrt untersuchen lassen. Das war natürlich eine ausgezeichnete Reklame für den Tunnel.«
    »Und weiter?«
    »Da war noch etwas anderes. Manche Leute kamen aus dem Tunnel und waren völlig in Ordnung. Sie weigerten sich nur, irgendwelche Gebäude zu betreten, seien es nun Paläste, Villen, Wohnblöcke, Mietskasernen, Sommerhäuschen, Hütten, Bretterbuden oder Zelte.«
    Theremon blickte erschrocken auf.
    »Sie meinen, daß sie sich nur mehr im Freien aufhalten wollten? Aber wo schliefen sie?«
    »Im Freien.«
    »Man hätte sie doch mit Gewalt in ein Gebäude bringen können.«
    »Das hat man auch getan. Aber dann wurden diese Leute zu rasenden Hysterikern und rannten mit dem Kopf gegen die Wand. Wenn man sie in einen geschlossenen Raum gebracht hatte, mußte man sie entweder in eine Zwangsjacke stecken oder ihnen ein starkes Betäubungsmittel geben.«
    »Sie waren also wahnsinnig.«
    »Allerdings. Von zehn Personen, die den Tunnel verließen, befand sich eine in diesem sonderbaren Zustand. Man rief Psychologen zu Hilfe, aber das nützte nichts. Die Ausstellung mußte geschlossen werden.« Er breitete die Arme aus.
    »Aber was war denn los mit diesen Leuten?«
    »Dasselbe wie mit Ihnen, als Sie das Gefühl hatten, die Wände würden Sie umzingeln, wenn der Raum im Dunkeln liegt. Es gibt einen psychologischen Ausdruck für die instinktive Furcht des Menschen vor der Dunkelheit. Wir nennen es Klaustrophobie, denn das Fehlen von Licht steht fast immer in Zusammenhang mit geschlossenen Räumen, so daß die Furcht vor dem einen mit der vor dem anderen identisch ist. Verstehen Sie?«
    »Und die Leute, die krank aus dem Tunnel kamen?«
    »Diese Leute hatten unglücklicherweise nicht genug geistige Widerstandskraft, um die Klaustrophobie, die sie im finsteren Tunnel befiel, zu überwinden. Fünfzehn Minuten ohne Licht ist eine lange Zeit. Sie befanden sich nur zwei oder drei Minuten lang im Dunkeln, und ich glaube, es hat Sie ganz schön aufgeregt.
    Die Leute, die aus dem Tunnel kamen, hatten eine sogenannte klaustrophobische Fixierung. Ihre latente Furcht vor der Dunkelheit oder vor geschlossenen Räumen war aktiv geworden und, soweit wir es jetzt beurteilen können, permanent. Das können fünfzehn Minuten in absoluter Dunkelheit bewirken.«
    Langes Schweigen herrschte nach diesen Worten, und langsam zog sich Theremons Stirn in Falten.
    »Ich kann nicht glauben, daß es so schlimm ist.«
    »Sie wollen es nicht glauben«, sagte Sheerin ärgerlich. »Schauen Sie doch aus dem Fenster!«
    Theremon gehorchte, und der Psychologe sprach weiter.
    »Stellen Sie sich das vor – Dunkelheit, überall. Kein Licht, so weit Ihr Auge reicht. Die Häuser, die Bäume, die Felder, die Erde, der Himmel – schwarz! Und dann brechen Sterne herein, soviel ich weiß, was für Sterne das auch immer sein mögen. Können Sie sich das vorstellen?«
    »Ja, das kann ich«, stellte Theremon zornig fest.
    Sheerin hieb mit plötzlicher Wut die Faust auf den Tisch.
    »Sie lügen. Sie können es sich nicht vorstellen. Ihr Gehirn ist dazu nicht fähig. Und ebensowenig kann es die Unendlichkeit oder die Ewigkeit begreifen. Sie können nur darüber reden. Alles, was von der Wirklichkeit, wie Sie sie verstehen, abweicht, versetzt Sie in Aufregung. Und wenn die Wirklichkeit dann hereinbricht, wird ihr Gehirn mit den Phänomenen konfrontiert, die außerhalb seines Fassungsvermögen liegen. Sie werden wahnsinnig werden, völlig und für immer! Das steht ganz außer Frage.«
    Und traurig fügte er hinzu: »Und wieder werden Jahrtausende mühevoller Arbeit in ein Nichts aufgehen. Morgen wird es auf ganz Lagash keine einzige Stadt mehr geben.«
    Theremon gewann einen Teil seines geistigen Gleichgewichts wieder.
    »Das wird nicht geschehen. Ich verstehe noch immer nicht, daß ich verrückt werden soll, nur weil keine Sonne mehr am Himmel steht. Aber sogar, wenn das wirklich eintreffen sollte und wenn auch alle anderen Menschen wahnsinnig werden, warum werden dann die Städte zerstört? Werden wir sie zertrümmern?«
    Verärgert starrte Sheerin ihn an.
    »Wenn Sie sich in völliger Dunkelheit befinden, was wünschen Sie sich dann sehnlicher als Licht? Licht!«
    »Und?«
    »Und wie bekommen Sie Licht?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Theremon mit ausdruckslosem Gesicht.
    »Was ist der einzige Weg, um Licht zu erhalten, wenn die Sonne verschwunden ist?«
    »Wie soll ich das wissen?«
    Sie standen voreinander, das Gesicht
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