Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
und die Schattenmaenner

und die Schattenmaenner

Titel: und die Schattenmaenner
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
Vom Netzwerk:
›Vergessener‹ sah der beleibte Mann mit seinem protzigen Ring am Finger wahrlich nicht aus.

Die Beichte der Spinne
    Von der Unterhaltung, die nun folgte, verstand Justus nahezu nichts. Es wurde so schnell gesprochen, dass ihm seine bescheidenen Kenntnisse der Landessprache nicht mehr helfen konnten. Mit zwei Ausnahmen: Immer wieder fiel das Wort ›tradimento‹, und aus seinem Lateinunterricht an der Highschool in Rocky Beach wusste Justus nur allzu gut, dass das ›Verrat‹ bedeuten musste. Jedes Mal, wenn es fiel, schüttelte die Spinne heftig den Kopf. Und nicht nur das: Sie wurde laut und böse, sie schrie den Mann in ihrem Rücken regelrecht an. Justus in seinem Versteck bewunderte sie dafür.
    Mehrfach wiederholte der Dicke kurze, knappe Sätze, mit steigender Lautstärke. Jedes Mal antwortete die Spinne in ebenso steigender Lautstärke mit: »No.« Manchmal sagte sie auch: »Non lo so.« Aus dem Lexikon für den Alltagsgebrauch wusste Justus, dass das: »Ich weiß es nicht«, hieß. Alberto Bergamelli beteiligte sich kaum an der ziemlich einseitigen Unterhaltung. Gegen Ende wurde der Tonfall des Dicken immer drohender. Aber zugleich glaubte Justus auch, seine wachsende Hilflosigkeit zu spüren.
    Und dann war der Spuk plötzlich vorbei. Der Mann in der Tür bellte etwas, was wie ein Urteil klang. Alberto steckte der Spinne wieder den Kebel in den Mund, das Licht ging aus, und die Tür wurde zugeschlagen. Justus ballte seine nass geschwitzten Hände zur Faust: Wenn Alberto nur nicht wieder von außen abschließen würde! Aber er tat es doch. Fast höhnisch klang es, als der Schlüssel herumgedreht wurde.
    Vorsichtshalber wartete Justus eine halbe Minute, ehe er sein enges Gefängnis verließ. »Bleib ruhig«, sagte er in die Dunkelheit hinein, in der Hoffnung, dass die Spinne wenigstens das verstand. Er schlich zur Tür. Bevor er das Licht aufflammen ließ, lauschte er konzentriert, mit geschlossenen Augen, ins Haus. Alles war still, bis auf die leisen, aber heftigen Atemzüge der Spinne.
    Kurz darauf hatte er sie losgeschnitten.
    »Grazie.« Sie massierte ihre Handgelenke. »Mille grazie.« Um ihren Dank zu unterstreichen, umschlang sie Justus und drückte ihm zwei lange Küsse auf beide Wangen. Und dann fügte sie lächelnd noch einen Satz hinzu, den er sich vorläufig mit: »Du bist ein Held«, übersetzte.
    Er fühlte, wie er rot wurde. »Schon gut«, sagte er großmütig und bemerkte, dass sie ihn nicht verstand. Ihm fiel ein, dass er nicht einmal wusste, wie sie hieß, und kramte wieder in der Mischung aus Latein und Alltags-Italienisch, die in seinem Kopf herumgeisterte.
    »Nomine?«, fragte er und zeigte auf sie.
    »Franca.«
    Etwas linkisch wies er auf seine Brust. »Justus.«
    Wieder ging ein Lächeln über ihr Gesicht. »Justus«, wiederholte sie, und der Erste Detektiv musste fast grinsen, so sonderbar klang sein Name aus dem Munde der jungen Römerin.
    Zweimal holte er tief Luft. Es bestand nur eine einzige Chance, und es gab keinen Grund, sie nicht sogleich auszuprobieren. Er reichte der Spinne das Messer und marschierte zu der Wand, die der Tür gegenüberlag. Franca ging beiseite. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse und fasste sich an eine Schulter, so als spürte sie selbst schon den Schmerz, den Justus jetzt empfinden würde.
    Der Erste Detektiv biss die Zähne zusammen, schnaufte noch einmal heftig und startete. Im letzten Augenblick riss er den Oberkörper herum und schleuderte rücklings mit der vollen Wucht seiner eineinhalb Zentner gegen das Holz. Es tat weh, es machte einen Höllenlärm, aber die Tür hielt stand. Justus wiederholte die Prozedur. Händeringend stand Franca daneben. Dann machte sie Anstalten, selbst Anlauf zu nehmen, aber Justus hielt sie zurück. Mit ihrem spinnendünnen Körper hätte sie bestimmt nichts ausgerichtet, außer sich blaue Flecken oder noch Schlimmeres zu holen. Beim vierten Mal krachte es noch lauter als vorher, und die Tür flog auf. Sie donnerte gegen die Wand, schwang zurück und prallte heftig mit Justus’ Schulter zusammen. Er schrie laut auf, und Franca schrie mit. Sie wollte so schnell wie möglich verschwinden, das machte sie ihm mit Zeichensprache unmissverständlich klar.
    »Warte noch!«, sagte Justus. Ihn interessierten die Unmengen von Fotos, die überall herumlagen. »Sag mir, wie du fotografierst«, murmelte er, »und ich sage dir, wer du bist.«
    Kein Zweifel, Alberto Bergamelli verstand sein Handwerk. Es waren glänzende
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher