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und der tote Richter

und der tote Richter

Titel: und der tote Richter
Autoren: M. C. Beaton
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um«, wetterte Agatha. »Ich habe ihm gerade gesagt, was ich von ihm halte.«
    Roy verzog das Gesicht und wich einen Schritt zurück. »Oh Mann, Schätzchen, dann sollte ich wohl besser nicht mit dir gesehen werden, was? Was ist denn los mit dir? Du hast ihm doch den ganzen Laden verkauft.«
    Agatha rümpfte zutiefst empört die Nase. »Wo ist Lulu?«
    »Die hat ihre Abfindung genommen und aalt sich an der Costa Brava in der Sonne.«
    »Und Jane?«
    »Arbeitet als PR -Frau für Friends Scotch. Kannst du dir das vorstellen? Einer Alkoholikerin wie der geben sie einen Job in einer Whisky-Firma? Die wird die Geschäftsgewinne binnen eines Jahres versoffen haben.«
    Agatha erkundigte sich nach den anderen. Offensichtlich war Roy der Einzige, den Pedmans übernommen hatte. »Es ist wegen der Trendies«, sagte er. Gemeint war eine Popband, die zu Agathas früheren Kunden gehörte. »Josh, der Boss, mochte mich schon immer, wie du weißt. Also musste Pedmans mich behalten, wenn sie die Band behalten wollten. Gefällt dir mein neuer Stil?« Er vollführte eine Pirouette vor Agatha.
    »Nein«, antwortete sie mürrisch. »Steht dir nicht. Ach, hast du nicht Lust, mich am Wochenende mal zu besuchen?«
    Roy druckste herum. »Würde ich ja gern, Schätzchen, aber ich habe tonnenweise Arbeit. Wilson ist ein Sklaventreiber.« Hektisch riss er den Arm hoch, um auf seine Armbanduhr zu schauen. »Ich muss dann auch mal los.«
    Er flitzte ins Gebäude, bevor Agatha noch etwas sagen konnte, und sie stand wieder allein da.
    Sie versuchte, ein Taxi heranzuwinken, doch leider waren alle besetzt. Also ging sie zu Fuß bis zur Bank Station, wo ihr jemand sagte, dass die U-Bahnen bestreikt wurden. »Und wie soll ich von hier wegkommen?«, knurrte sie.
    »Versuchen Sie’s mit einer Fähre«, schlug der Mann vor. »Unten an der London Bridge.«
    Agatha marschierte weiter zur London Bridge. Nach und nach wich ihre Wut einem elenden Gefühl von Verlust. An der Anlegestelle der London Bridge erwartete sie ein Yuppie-Auflauf der besonderen Art: Die Pier war gerammelt voll mit nervös dreinblickenden jungen Männern und Frauen, die ihre Aktentaschen umklammerten und sich auf die kleine Flotte von Ausflugsdampfern drängelten.
    Agatha stellte sich ans Ende der Schlange und bewegte sich Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Sie war schon leicht seekrank, als sie endlich an Bord eines großen alten Ausflugsdampfers steigen konnte, der eigens für diesen Tag wieder in Betrieb genommen worden war. Immerhin hatte auch die Bar geöffnet. Agatha bestellte einen großen Gin Tonic, umklammerte das Glas fest und stieg hinauf an Deck, wosie sich in einen der kleinen gold-roten Plüschsessel hockte, wie sie auf den Themse-Booten früher modern waren.
    Der Dampfer bewegte sich im Sonnenschein hinaus auf den Fluss und glitt an allem vorbei, was Agatha weggeworfen hatte – das Leben und London. Unter den Brücken hindurch überholte er die Staus auf der Embankment. An der Anlegestelle Charing Cross stieg Agatha aus. Ihr war nicht mehr nach Mittagessen, Einkaufen oder irgendetwas anderem. Sie wollte nur noch zurück zu ihrem Cottage, ihre Wunden lecken und darüber nachdenken, was sie tun sollte.
    Sie ging hinauf zum Trafalgar Square, dann die Mall hinunter am Buckingham Palace vorbei, den Constitution Hill hinauf, durch eine Unterführung und oben an der Decimus Burton’s Gate und dem Duke-of-Wellington-Haus in den Hyde Park. Quer durch den Park schritt sie in Richtung Bayswater und Paddington Station.
    Bis heute hatte sie sich überall durchgekämpft, immer gewusst, was sie wollte. Obwohl sie eine kluge Schülerin gewesen war, hatten ihre Eltern verlangt, dass sie die Schule mit fünfzehn abbrach, weil es in der örtlichen Keksfabrik gute Jobs gab. Damals war Agatha ein dünnes, blasses, sensibles Mädchen gewesen. Die derben Umgangsformen der Frauen, mit denen sie in der Fabrik arbeitete, hatten an ihren Nerven gezerrt, ihre betrunkenen Eltern zu Hause sie angewidert. Deshalb machte sie Überstunden, legte das zusätzliche Geld auf ein Sparkonto, damit ihre Eltern es nicht in die Finger bekamen, bis sie eines Tages fand, dass sie genug zusammenhatte, um sang- und klanglos nach London zu verschwinden. Eines Abends, nachdem sich ihre Mutter und ihr Vater in den Schlaf getrunken hatten, schlich sie mit ihrem Koffer zur Tür hinaus.
    In London hatte sie sieben Tage die Woche als Kellnerin geschuftet, damit sie sich Steno- und Schreibmaschinenkurse leisten konnte.
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