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und der Geisterzug

und der Geisterzug

Titel: und der Geisterzug
Autoren: Astrid Vollenbruch
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Als ich nach draußen ging, roch ich sofort das Benzin und sah Mr Campbell über das Gelände gehen, und gleich darauf kam Dr. Long und sagte, ihr wärt in Gefahr. Wir schlichen uns von der anderen Seite an, während Mr Campbell diesen Reno ablenkte. Und als er dich schnappte, Justus, und auf Jasper schießen wollte, schoss ich eben zuerst. Und ich bin heilfroh, dass es keinen Funken gab, sonst stände jetzt vermutlich alles hier in Flammen.«
    »Es war ein sehr guter Schuss«, sagte Justus. »Mir zittern jetzt noch die Knie.« Aber er grinste dabei.
    »Kann ich jetzt vielleicht mal erfahren, was hier eigentlich los ist?«, fragte Mr Kingsley. »Wer ist dieser Devlin Reno überhaupt?«
    »Das ist der Mann, den Mr Campbell für die schmutzigen Arbeiten angeheuert hat«, sagte Justus. »Im letzten Moment hat er es noch verraten. Er hat all die Brände gelegt und die Einbrüche begangen, um die Leute einzuschüchtern und an Campbell auszuliefern. Und gleichzeitig suchte er nach Harrows Gold. Er grub im Tunnel danach, vertrieb neugierige Leute durch unheimliche Spukgeräusche und sprengte nachts besonders hartnäckige Felsen aus dem Weg. Aber er war gar nicht so sicher, ob sich das Gold wirklich im Zug befand. Schließlich gab es dafür keine Beweise, und die Wachsfiguren im Museum schienen ihm eher einen Hinweis darauf zu liefern, dass es an einem anderen Ort versteckt war. Also versuchte er, Carl dazu zu zwingen, ihm zu sagen, wo es ist.«
    »Carl?«, wiederholte Mr Kingsley verblüfft, und Sam runzelte die Stirn. »Woher soll er denn das wissen?« Sie schauten zu dem Lokführer hin, der mit verschränkten Armen an der Sequoia lehnte, aber er schwieg.
    »Er kennt sich in der Familiengeschichte der Harrows besser aus, als es ihm selbst lieb ist«, sagte Justus. »Und Reno hatte das herausgefunden, nicht wahr, Carl?«
    Carl nickte kurz. »Die Harrows waren eine Bande von Gaunern und Verbrechern. Reginald Harrow hatte sein Vermögen nicht durch ehrliche Arbeit gemacht, sondern dadurch, dass er die chinesischen Eisenbahnarbeiter um ihre Löhne betrog, das Geld tödlich Verunglückter einfach auf seine eigenen Konten umleitete und Beschaffungsgelder falsch abrechnete. Und sein eigener Sohn bestahl ihn jahrelang vor seiner Nase. Die Familie ist hundert Jahre tot, und das ist auch gut so. Für irgendwelche Harrows ist in dieser Stadt kein Platz mehr.«
    »Ganz richtig«, sagte Mr Kingsley. »Und übermorgen ist hier auch das Kapitel Eisenbahn abgeschlossen. Was wirst du deinem Onkel denn jetzt sagen, Justus?«
    Justus zögerte. Dann holte er tief Luft. »Ich werde ihm sagen, dass es in Harrowville nichts für ihn zu holen gibt, Mr Kingsley.«
    Alle starrten ihn an. Mr Kingsley sah aus, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. »Nichts?«, fragte er mit rauer Stimme. »Ist mein Museum so schäbig?«
    Justus räusperte sich. »Nein«, sagte er fest. »Im Gegenteil. Ich finde, dass es unbedingt erhalten bleiben sollte. Ist es denn nicht möglich, es in den Vergnügungspark einzugliedern?«
    »Dafür fehlt mir das Geld, Junge.« Mr Kingsleys Stimme war jetzt ganz flach.
    »Aber wenn Sie es hätten –«
    »Wir haben es aber nicht!«, schrie Susan ihn an. »Mensch, hör doch endlich auf! Siehst du nicht, was du meinem Vater antust?«
    »Doch, und es tut mir Leid«, sagte Justus. »Ich habe nur noch eine Frage – aber nicht an Mr Kingsley.« Er drehte den Kopf und schaute zu Carl hin. »Carl … wenn Sie das Gold hätten, was würden Sie damit tun?«
    »Du verdammter Halunke«, sagte Carl. Aber aus irgendeinem Grund sah er nicht wütend aus. »Ich würde den Chinesen hier eine anständige Entschädigung zahlen. Und dann würde ich das tun, was ich in den letzten zehn Jahren getan habe: ich würde jeden einzelnen restlichen Dollar ins Museum stecken.«
    »Fünf Millionen Dollar?« fragte Justus.
    Aber Carl sagte nur: »Mit fünf Millionen Dollar kann man schon einiges anfangen. Vielleicht könnten wir noch ein paar Bahnlinien ziehen und diesen verwünschten Tunnel endlich dichtmachen.«
    »Justus!«, sagte Mrs Kingsley scharf. »Was soll das? Worauf willst du hinaus?«
    »Ich möchte Ihnen nur eine kurze Geschichte erzählen. Über die unglückliche Romanze zwischen Stephen Harrow und Letitia O’Malley.«
    »Die Geschichte kennen wir schon«, sagte Sam.
    »Kennen Sie auch die Fortsetzung ?« fragte Justus. »Letitia war nämlich nicht folgenlos mit Stephen Harrow verlobt gewesen. 1903 bekam sie ein Baby, zu dem Stephen
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