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und der Geisterzug

und der Geisterzug

Titel: und der Geisterzug
Autoren: Astrid Vollenbruch
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mal bitte nach, was in den Zeitungen steht, die die Fahrgäste in den Händen halten.«
    »Alles klar«, sagte Bob. »Und worauf sollen wir achten?«
    »Auf Personen- und Lokomotivnamen.«
    Eine halbe Stunde lang war nichts zu hören als das Poltern und Rumpeln an der Sequoia. Justus las sich den alten Fahrplan von 1904 durch. Peter und Bob blätterten in den Zeitungen. Anschließend trafen sie sich wieder an der Bahnsteigkante.
    »Und?«, fragte Justus.
    »Fehlanzeige«, murrte Peter. »Die Loks hatten überhaupt keine Namen, nur so blöde Nummern. 0-6-0, 2-2-4T und so weiter. Das hilft uns überhaupt nicht.«
    »Kommt drauf an«, sagte Justus. »Fred! Kannst du mal bitte herkommen?«
    Fred rannte zu ihnen herüber und kletterte leichtfüßig auf den Bahnsteig. »Was ist denn?«
    »Kannst du uns sagen, was die Nummern der Loks bedeuten?«
    »Na sicher. Das ist die Zahl der Räder. Die erste und die letz-te Zahl geben die Laufräder an und die mittleren Zahlen die Triebräder – das sind die mit den Stangen dran. Die General Custer zum Beispiel ist eine 4-6-4, das heißt, sie hat vier vor-dere Laufräder, sechs große Triebräder und dann nochmal vier kleinere Laufräder dahinter. Die Sequoia ist eine 2-4-2 und die Apache eine 0-6-0, das heißt, sie hat bloß sechs Triebräder, weil sie so klein ist, dass sie keine Laufräder zum Stützen braucht. Und die Nr. 56 hat einfach bloß vier Triebräder.«
    »Das ist ja ein richtiger Geheimcode!« rief Bob.
    Fred grinste. »Für Eisenbahner nicht.«
    »Peter, stand eine der Museumsloks in den Zeitungen?«
    »Nur eine 2-6-2T, das war die, die verschüttet wurde.«
    »T?«, sagte Fred. »Dann hatte sie einen eigenen Tank.«
    »Aha«, sagte Justus. »Und was hast du herausgefunden, Bob?«
    »Tja, ich hab wirklich was. Ihr werdet staunen.« Bob hob eine Zeitung hoch, die er einer der Figuren abgenommen hatte. »Es steht ganz versteckt bei den Geburts- und Todesanzeigen.« Er faltete die Zeitung auseinander und räusperte sich. »Ahem. Ihre Verlobung beehren sich bekannt zu geben Mr Stephen Harrow und Miss Letitia O’Malley, San Francisco. Datum: 5.September 1904. 2.Sam. 15,28.«
    »5.September 1904? Aber das ist doch genau das Datum, an dem der Tunnel einstürzte!« rief Peter.
    »Der Arme!«, sagte Fred. »Stellt euch vor, am Verlobungstag so schrecklich zu sterben! Und die arme Letitia!«
    »Sie war aber doch nicht im Zug, oder?«
    Bob schüttelte den Kopf. »Zumindest wurde sie bei den Berichten über das Unglück nicht erwähnt.«
    »Was wurde denn danach aus ihr?«, fragte Peter.
    »Oh, Carl weiß das. Er kennt sich mit den alten Familiengeschichten aus. Carl!«, schrie Fred durch die Halle. »Carl, was wurde aus Letitia O’Malley?«
    »Aus wem?«, rief Carl aus dem Führerstand der Sequoia zurück.
    »Letitia O’Malley! Die Verlobte von Stephen Harrow!«
    »Sie heiratete später einen anderen.« Carl verschwand und gab auf Freds lautstarke Frage: »Wen denn?« keine Antwort.
    »Sagt mal, was bedeutet denn eigentlich 2.Sam. 15,28?«, fragte Peter. »2.Samstag um 15 Uhr 28?«
    »Nein, es ist ein Spruch aus der Bibel«, sagte Justus. »2.Buch Samuel, Kapitel 15, Vers 28.«
    »Und was steht da?«
    »Gib mir eine Bibel, dann sage ich es dir. Fred, gibt’s hier irgendwo eine Bibel?«
    »Wir haben sogar die Familienbibel der Harrows«, sagte Fred stolz. »Aber die liegt nicht offen rum. Kommt mit!«
    Im Wartesaal lagen einige alte Bücher unter Glas. Fred förderte einen Schlüssel zutage und öffnete die Vitrine, in der die große alte Bibel lag.
    Vorsichtig blätterten sie die dünnen Seiten um.
    »Hier ist es!«, rief Bob. Er tippte mit dem Finger auf den Spruch und las ihn vor. »›Siehe, ich will warten bei den Furten in der Wüste, bis von dir Botschaft zu mir kommt.‹ Komischer Verlobungsspruch.«
    »Und daneben steht etwas Handschriftliches. Schwer zu entziffern.« Justus beugte sich trotz des stechenden Geruchs dicht über das Buch. »›Sorry, Dad. Dein‹ – heißt das ›teuflischer‹? ›Dein teuflischer Stolz zwingt mich dazu. Stephen.‹ Was ist denn das für eine –«
    »Ihr solltet jetzt allmählich eure Sachen packen. Es wird Zeit.«
    Sie zuckten zusammen und drehten sich um. Carl stand in der Tür des Wartesaals.
    »Sie wollen uns wohl gerne loswerden?«, fragte Justus.
    Carl schaute ihn an. »Ja, das will ich. Ich bringe euch nach Sterling, ihr fahrt nach Hause und vergesst die ganze Geschichte. Das ist am besten so.«
    »Na gut«, sagte Justus
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