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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe
Autoren: Jodi Picoult
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dass Nicholas den Raum betritt. Es sind bereits sieben andere Leute da: Anästhesisten, Krankenschwestern, Assistenzärzte, und jemand sitzt an einer komplizierten Maschine, an die alle möglichen Schläuche angeschlossen sind. Der Patient liegt nackt auf dem Tisch und ist in einem seltsamen Orange bemalt.
    Nicholas kommt herein. Er zieht sich noch die Handschuhe über, und alle Augen richten sich auf ihn. Ich stehe auf. Es gibt einen Lautsprecher auf der Galerie, sodass ich Nicholas’ tiefe Stimme hören kann und das Rascheln seines Mundschutzes. Nacheinander begrüßt er alle. Dann schaut er unter die sterilen Tücher und beobachtet, wie ein Schlauch in den Hals des Patienten eingeführt wird. Er sagt etwas zu einem Arzt neben sich. Der Mann sieht jung aus, und er hat das Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Der junge Arzt nickt und macht einen Schnitt am Bein des Patienten.
    Alle Ärzte tragen seltsame Brillen auf dem Kopf, die sie sich vor die Augen klappen, wenn sie sich über den Patienten beugen. Ich muss lächeln. Irgendwie erinnert mich das an diese Scherzbrillen mit herausfallenden Glubschaugen. Nicholas steht ein wenig abseits, während zwei Ärzte am Bein des Patienten arbeiten. Ich kann nicht gut sehen, was sie da tun, aber sie nehmen immer wieder andere Instrumente von einem mit einem Tuch bedeckten Tablett, Dinge, die wie Nagelscheren oder Wimpernzangen aussehen.
    Sie ziehen ein purpurnes Spaghettiband aus dem Bein, und als mir klar wird, dass das eine Vene ist, muss ich würgen. Ich muss mich setzen. Die Vene wird in ein Glas gelegt, das mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt ist, und die Ärzte nähen das Bein mit so kleinen Stichen zu, dass man sie kaum sehen kann. Einer von ihnen nimmt zwei Metallteile von einer Maschine und hält sie ans Bein, und ich schwöre, ich kann verbranntes, menschliches Fleisch riechen.
    Dann geht Nicholas zur Brust des Patienten. Er greift nach einem Messer – nein, nach einem Skalpell – und schneidet damit in gerader Linie die orangefarbene Brust des Patienten auf. Beinahe sofort ist die Haut voll dunklem Blut. Dann tut er etwas, das ich einfach nicht glauben kann: Er holt eine Säge aus dem Nichts – eine echte Säge wie von Black&Decker – und beginnt, das Brustbein durchzusägen. Ich glaube, Knochensplitter zu sehen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass Nicholas das zulassen würde. Als ich gerade das Gefühl habe, gleich in Ohnmacht zu fallen, gibt Nicholas die Säge einem anderen Arzt, bricht die Brust auf und hält sie mit einem Metallgerät offen.
    Ich weiß nicht, was ich erwartet habe … vielleicht ein rotes Valentinsherz. Aber was da mitten in der Öffnung liegt, sieht aus wie eine gelbe Wand. Nicholas nimmt sich eine Schere von einem Tablett und macht irgendetwas mit den Händen. Dann nimmt er zwei Schläuche, die mit der komplizierten Maschine verbunden sind, und bringt sie an Stellen an, die ich nicht ganz erkennen kann. Er zieht eine Hautschicht oder so etwas weg, und darunter kommt ein zuckender Muskel zum Vorschein, halb pink und halb grau, und ich weiß, dass ich ein Herz sehe. Es zuckt bei jedem Schlag, und wenn es sich zusammenzieht, wird es so klein, dass es kurz zu verschwinden scheint. Nicholas sagt zu dem Mann neben der Maschine: »Leiten wir ihn um.« Und mit einem leisen Surren beginnt rotes Blut durch die Schläuche zu laufen. Ich glaube, ich kann Nicholas unter seiner Maske lächeln sehen.
    Er bittet eine Krankenschwester um etwas, und sie gibt ihm einen Becher mit einer klaren Flüssigkeit. Die schüttet er über das Herz, und von einem Augenblick auf den anderen steht es still. Gütiger Gott , denke ich. Er hat den Mann getötet. Aber Nicholas hält nicht einen Augenblick inne. Er greift zu einer anderen Schere und tritt nah an den Patienten heran.
    Plötzlich spritzt Blut auf Nicholas’ Wange und das Hemd eines anderen Arztes. Nicholas’ Hände bewegen sich so schnell, dass ich ihnen nicht mehr folgen kann, als er in die offene Brust greift, um den Blutfluss zu stoppen. Ich weiche einen Schritt zurück und schnappe nach Luft. Und ich frage mich, wie Nicholas das jeden Tag aushalten kann.
    Der zweite Arzt greift in das Glas, das ich schon ganz vergessen hatte, und holt die Beinvene heraus. Und dann sticht Nicholas, dem inzwischen der Schweiß auf der Stirn steht, mehrmals eine winzige Nadel in Herz und Vene und zieht sie mit einer Pinzette durch. Der andere Arzt tritt zurück, und Nicholas tippt das Herz mit einem
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