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Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich
Autoren: Dickinson Miranda
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die Luft durch die Zähne ein – so ähnlich reagierte mein Vater immer, wenn ich die Band erwähnte, in der ich spielte. »Das Problem ist, Kindchen, dass in den letzten Tagen ein Haufen gut aussehender junger Männer an unserem Stand waren. Alle panisch auf der Suche nach Geschenken für ihre Mums.«
    »Er hat sie geküsst«, fügte Wren hinzu. »Und dann ist er verschwunden.«
    »Ah, Moment mal«, rief Sylvia. Sie dachte so angestrengt nach, dass sich ihre frostroten Wangen noch tiefer färbten. »Stimmt, da war ein junger Mann, der ein Mädchen geküsst hat!« Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie mich. »Drehen Sie sich mal um, Schätzchen.«
    Ich folgte der Aufforderung, worauf die beiden Frauen aufgeregt miteinander zu tuscheln begannen, bis Sylvia mir erlaubte, mich wieder umzudrehen.
    »Es ist nur eine vage Erinnerung, aber da war so ein Pärchen, das sich geküsst hat.«
    »Super! Fällt Ihnen vielleicht noch irgendetwas dazu ein? Sein Gesicht oder ob er einen Namen genannt hat?«
    Audrey lachte. »Sollten das nicht eher Sie wissen, Schätzchen? Schließlich waren Sie sehr viel näher an ihm dran als wir.«
    Ganz offensichtlich war aus den Frauen nichts Sinnvolles mehr herauszuholen. »Na gut, vielen Dank«, erwiderte ich.
    Während Wren noch mit den beiden Damen schwatzte, ging ich langsam weiter. Ich war von der mageren Ausbeute zwar etwas enttäuscht, aber gleichzeitig beflügelt von der Tatsache, dass ich mir das Ganze offenbar nicht nur eingebildet hatte. In Gedanken vergegenwärtigte ich mir die Strecke, die ich gestern nach meiner Flucht vom Plüschtierstand zurückgelegt hatte, und ging den Weg in die andere Richtung zurück, vorbei an der Town Hall und weiter zum Anfang der New Street.
    Hinter mir ertönten Schritte, und gleich darauf war Wren neben mir. Sie keuchte ein wenig und schob die Hände in ihre Manteltaschen. »Das ist doch ein guter Anfang, oder?«
    Ich lächelte. »Absolut. Wenn du willst, können wir es dabei belassen.«
    »Kommt gar nicht infrage. Nachdem ich jetzt weiß, dass du nicht halluziniert hast, finde ich das Ganze eigent lich ziemlich spannend.« Sie stieß mich mit der Schulter an. »Ein bisschen wie in einem schnulzigen Mädchenfilm, findest du nicht? Der attraktive Fremde, die Begegnung auf dem Weihnachtsmarkt, der Kuss, der natürlich mit Musik von Randy Newman untermalt sein sollte …«
    »Nur haben wir leider keine Ahnung, wer der Hauptdarsteller ist«, erinnerte ich sie, obwohl ich von dem Vergleich recht angetan war.
    »Pah, das sind unbedeutende Details. Also, wohin jetzt?«
    An der von Ständen gesäumten Straße entdeckte ich weiter unten eine Bierbude mit seltsam rotierenden Holzlatten und einem riesigen Eisbären auf dem Dach. »Dort unten war der Plüschtierstand, in den ich geknallt bin.«
    »Wunderbar. Da du die Bude ja mehr oder weniger zerlegt hast, wird sich bestimmt jemand an dich erinnern.«
    Manchmal war Wren einfach sehr direkt …
    Kalter Schweiß rann mir über den Nacken, als wir auf den Schauplatz meiner zweitschlimmsten Blamage des Vortags zueilten. Mein rechter Arm und die Schulter brannten noch immer von dem Zusammenprall mit der Holzfront, und meine Wangen brannten jetzt ebenfalls vor Verlegenheit. Wie hatte ich es nur geschafft, zwei Mal an einem Tag meine in jahrelanger Arbeit erlangte Würde auf derart spektakuläre Weise zu verlieren? Un vermeidlich schweiften meine Gedanken zum ersten Zwischenfall, und bei der Erinnerung an Charlies entsetzte Miene krampfte sich mein Herz zusammen. Wenn Wrens Behauptung stimmte, dass meine Beschäftigung mit dem gut aussehenden Fremden lediglich eine Ablenkungsstrategie war, um nicht mehr an Charlie denken zu müssen, so funktionierte diese Strategie im Moment nicht besonders gut. Wütend verdrängte ich sein Gesicht aus meinen Gedanken und wandte mich der vor mir liegenden Aufgabe zu.
    Der Plüschtierstand befand sich viel weiter unten an der New Street, als ich es im Gedächtnis hatte, und ich war überrascht, wie weit der Fremde gelaufen war, bis er mich am Kunsthandwerksmarkt eingeholt hatte. Es schien ihm wirklich wichtig gewesen zu sein, mich zu finden. Der Gedanke beflügelte mich. War es nicht der Beweis dafür, dass der Fremde ein besonderer Mensch war und in mir etwas Einzigartiges gesehen hatte, so dass er die Mühe auf sich genommen hatte, mir nachzugehen?
    Als das bunte Durcheinander aus Plüschtieren und Handpuppen in Sicht kam, wappnete ich mich innerlich gegen einen neuen Hagel an
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