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Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich
Autoren: Dickinson Miranda
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… das ist einfach krass …«
    »Danke für die aufmunternden Worte, Charlie.«
    Er sah mich an, sein Blick verriet Verwirrung. »Ich … ich wollte nicht … Scheiße, Rom, tut mir leid. Gib mir einen Moment, damit ich das irgendwie verdauen kann.«
    Ich wandte den Blick ab, konzentrierte mich auf ein besonders gestresst aussehendes Pärchen am Nebentisch, das sich bei sahnehäubchengekröntem Weihnachtskaffee ordentlich fetzte.
    »Ich bin viel zu selbstverständlich für dich«, sagte die Frau. Ich wusste genau, wie sie sich fühlte.
    »Weißt du«, sagte Charlie, »du warst immer nur Rom – ein guter Kumpel wie die anderen Jungs. Jemand, der wit zig ist und mit dem man abhängen kann. Aber jetzt …« Er redete sich immer mehr um Kopf und Kragen, und das wusste er. »Entschuldige«, seufzte er schließlich. »Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll.«
    Es war schrecklich. Ich hatte genug gehört. Tief verletzt und bis auf die Knochen blamiert, stand ich auf. Ich öffnete den Mund zu einem vernichtenden Abschiedswort, doch es kam nichts heraus. Also drehte ich mich um und suchte das Weite, stieß mit dem Fuß gegen einen Stuhl, stolperte über mehrere überquellende Einkaufstüten und blieb auf meiner ungraziösen Flucht aus dem Café auch noch an einem beladenen Kinderwagen hängen.
    Draußen erwartete mich Birminghams berühmter Weih nachtsmarkt, gerammelt voll mit Leuten, die ihre Weihnachtseinkäufe auf den letzten Drücker erledigen wollten und sich um die hölzernen Bierbuden drängten. Die bunten Lichterketten an den Buden leuchteten fröhlich gegen das Grau des Dezembernachmittags an, und aus den Lautsprechern entlang der New Street plärrte unablässig Weihnachtsmusik.
    »Rom! Wo gehst du hin? Es tut mir alles wahnsinnig leid. Bitte, komm zurück! Rom!«
    Charlies Rufe in meinem Rücken gingen in dem Lärm der Menge und den Weihnachtshits vergangener Zeiten unter. Ich legte einen Zahn zu, kämpfte mich blindlings durch den Strom der mir entgegenkommenden Menschen, deren zahllose Gesichter drohend vor mir auftauchten, ohne Lächeln und ohne Mitgefühl. Ich hatte mich schon genügend gedemütigt. Auf eine zweite Runde im Ring mit Charlie konnte ich wahrlich verzichten.
    Als ich an den Ladenfronten vorbeikam, verwandelten sich die Werbeplakate in verächtliche Beschimpfungen, und sie schrien mir aus jeder beleuchteten Auslage ihre Missbilligung entgegen:
    Total durchgeknallt!
    Hirnlose Idiotin!
    Wie konntest du nur so bescheuert sein?
    Während ich von der Menge zu den Marmorsäulen der Town Hall geschoben wurde, sang Paul McCartney »Wonderful Christmastime«, und es hörte sich an, als stünde ein ironisches Fragezeichen am Ende. Außerstande, mich aus der Menge zu befreien, ließ ich mich trei ben. Ich fühlte nichts. Meine Sinne waren betäubt von den ge sichtslosen Körpern, die mich umschlossen, und auf mein Herz trommelte unablässig der Widerhall von Charlies Worten ein, so dass mir irgendwann alles egal wurde. Nachdem ich ohne Sinn und Verstand diesen Super-Gau heraufbeschworen hatte, ergab ich mich wil lenlos dem Strom der Menge.
    Was, um alles in der Welt, hatte mich dazu bewogen, meinem allerbesten Freund eine Liebeserklärung zu machen? Ich hatte es ja nicht einmal geplant – und jetzt konnte ich kaum glauben, dass ich einfach aus einer Laune heraus mein größtes Geheimnis preisgegeben hatte. In der einen Minute hatten wir noch über den Gig der vergangenen Woche gelacht, und sein Lächeln war so warm und seine Augen so strahlend gewesen wie immer, wenn er über Musik redete. Und in der nächsten Minute hatte ich ihm meine Gefühle gestanden, die ich schon seit drei Jahren mit mir herumschleppte. Wie bin ich auf den hirnrissigen Gedanken gekommen, dies wäre eine gute Idee?
    Vielleicht hatte mich das Nahen der »Most Wonderful Time of the Year« (schönen Dank auch, Andy Williams) oder die festliche Stimmung, die heute in der Stadt herrschte, dazu veranlasst, Charlie meine Gefühle zu offenbaren. Oder vielleicht hatte ich im Kino zu viele gefühlsduselige Weihnachtsszenen gesehen, die mir das Hirn vernebelt und mich auf diese großartige Idee gebracht hatten (Richard Curtis, Nora Ephron – schuldig im Sinne der Anklage).
    Der Strom der Menge spuckte mich unvermittelt an der großen Steintreppe am Victoria Square aus. Ich zwängte mich durch eine Lücke der im Schneckentempo dahintrottenden voll bepackten Passanten und tauchte atemlos auf einer nach Kiefern duftenden kleinen
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