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Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich
Autoren: Dickinson Miranda
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Bräutigam sich umdreht und zum ersten Mal seine Braut sieht, die auf ihn zuschreitet: eine berauschende, packende Mischung aus Schock, Überraschung und einer allumfassenden, überwältigenden Liebe. Es war der Blick, mit dem mich Charlie hätte ansehen müssen , als ich ihm meine Liebe offenbarte. Doch dies war nicht Charlie –, und das war ein Teil des Problems. Denn abgesehen davon, dass er nicht der Mann war, dem ich vor einer halben Stunde in aller Öffentlichkeit meine unsterbliche Liebe gestanden hatte, war dieser Mann nahezu perfekt: von seinen großen, wunderschönen Augen und dem schüchternen Lächeln bis hin zu dem holzigen Duft seines Rasierwassers, das mich umwehte.
    Aber vor allem dessentwegen, was dann passierte …
    Er trat einen Schritt zurück, und an seinem Blick war abzulesen, dass er innerlich mit sich kämpfte. Da rief die Stimme erneut, diesmal noch drängender: »Wir müssen gehen! Jetzt komm endlich!«
    »Gleich«, rief er, und genau in diesem Moment stieß ein gehetzter Passant gegen seine Schulter und brachte ihn aus dem Gleichgewicht, so dass er direkt in meine Arme taumelte.
    Völlig überrumpelt hielt ich ihn fest, und seine kräftigen Arme umfingen mich und strichen über meinen Rücken. Schlagartig war jeder Gedanke an Charlie wie weggeblasen. Mit klopfendem Herzen blickte ich zu ihm auf.
    »Ich muss leider gehen«, flüsterte er, seine Lippen nur wenige Zentimeter von meinen entfernt. »Aber du bist wirklich schön.«
    Und dann küsste er mich.
    Obwohl sich unsere Lippen nur für einen winzigen Moment berührten, war dieser Kuss unvergleichlich. Es war die Art von Kuss, den man nur in Hollywoodfilmen erwartet, wenn sich die beiden Hauptpersonen endlich gefunden haben und der Abspann zu den wunderbaren Klängen von Nat King Cole über die Leinwand läuft. In der Tat war selbst der Soundtrack perfekt, weil in diesem Moment Mr Cole höchstselbst dumpf durch die Lautsprecher des Glasstand-CD-Players sein »Have Yourself a Merry Little Christmas« zu schmachten begann. Als ich die Augen schloss und mich dem unerwarteten Geschenk dieses Kusses hingab, dachte ich weder an Weihnachten noch an meine Weihnachtseinkäufe.
    Es war fast perfekt. Fast . Denn so schnell, wie der Fremde aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden: verschluckt von der dichten, undurchdringlichen Menschenmenge. Ich blieb eine Weile, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, wie erstarrt stehen, benommen, aber euphorisch, und mit wild pochendem Herzen.
    Und dann drängte aus den Tiefen meines Bewusstseins ein Gedanke an die Oberfläche, kämpfte sich durch den wirbelnden Strudel von Gefühlen.
    Geh ihm nach!
    »Warte! Komm zurück!«
    Ich blickte in die Richtung, in die er verschwunden war, doch er war wie vom Erdboden verschluckt. Dennoch schob ich mich durch das Getümmel, stellte mich auf die Zehenspitzen, um über dem Meer aus Köpfen nach seinem Haar oder seinem Schal Ausschau zu halten. Ich rannte und rempelte rücksichtslos andere Passanten an, doch ich war eine Frau mit einer Mission und ignorierte sämtlich empörten Blicke.
    Als ich am Ende der Budenreihe angelangt war, erhaschte ich ein Stück weiter vorne plötzlich einen Blick auf einen rostbraunen Haarschopf. Vor Anstrengung keuchend drängte ich mich weiter vor und holte auf. Sobald ich mich in Reichweite befand, streckte ich die Hand aus und tippte dem Mann auf die Schulter.
    »Hey, du kannst mich nicht küssen und danach einfach verschwinden, ohne mir deinen Namen zu sagen«, rief ich. Er drehte sich zu mir um … und mein Herz setzte einen Schlag lang aus.
    »Hey, das nenn ich mal eine gute Anmache, Süße«, sagte der ältere Mann grinsend. Seine gelblichen Zähne und die pockennarbige Haut luden wahrlich nicht zum Küssen ein. »Von einem Kuss weiß ich nichts, aber ich stelle mich gern zur Verfügung.«
    Ich wich zurück und senkte den Blick. »Entschuldigen Sie. Ich dachte, Sie wären jemand anderes.«
    »Das ist das Drama meines Lebens, Schätzchen.« Sein Lachen verfolgte mich noch, als ich in die Sicherheit des Weihnachtsmarkts zurückhastete. Zutiefst frustriert blieb ich dann stehen und blickte in den düsteren Wolkenhimmel hinauf, der Schnee versprach.
    Wie war es möglich, dass etwas so Unglaubliches passierte und dann plötzlich wieder vorbei war, als wäre es nie geschehen? Und wie konnte ich nur so dumm sein und ihn nicht nach seinem Namen fragen? Dann wüsste ich wenigstens irgendetwas Reales über ihn. Mein Schal roch noch schwach
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