Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dann kam Paulette (German Edition)

Und dann kam Paulette (German Edition)

Titel: Und dann kam Paulette (German Edition)
Autoren: Barbara Constantine
Vom Netzwerk:
Schließlich hatte sie vier Großeltern gehabt und ihr Berufspraktikum in der neunten Klasse in einem Altenheim absolviert, also Obacht … In dem Moment senkte er den Kopf. Und Muriel gefiel die Vorstellung, dass ihre Botschaft angekommen war. Zufrieden machte sie sich daran, ihre Kleider wieder zurechtzurücken. Strich sorgfältig den Rock glatt – wobei sie vor allem der Rückseite große Aufmerksamkeit angedeihen ließ, denn Falten am Po haben echt keinen Stil  –, klopfte den Staub von ihrer Tasche, indem sie sie mehrmals gegen die Unterschenkel schlug, fing eine Strähne ein, die sich aus der Frisur gelöst hatte, und lief, ohne Ferdinand noch eines Blickes zu würdigen, weiter. Plötzlich hatte sie Angst, zu spät zu kommen (zu ihrem Termin mit dem Immobilienfritzen wegen des Zimmers, das sie mieten wollte, aber was sollte sie ihm erzählen, wo sie weder eine Kaution noch sonst etwas zu bieten hatte, oje …).
    Ferdinand hingegen war zufrieden. Er hatte einem hübschen Mädchen ein Lächeln entlockt. Das geschah nicht jeden Tag. Zugegeben, es war kein sehr überzeugendes Lächeln gewesen. Auch war das Mädchen nicht wirklich hübsch. Wenn er ehrlich war, hatte sie fast wie eine Nutte ausgesehen, mit ihren hochhackigen Schuhen und dem zu engen Rock, der den Hüftspeck sichtbar machte. Aber das spielte keine Rolle, für heute hatte er sein Lächeln bekommen.
    Mittlerweile zeigte die Uhr Viertel vor vier. Nur noch eine Dreiviertelstunde bis Schulschluss. Als er zum Himmel aufsah, bemerkte er, dass die zwei grauen Wolken in der Zwischenzeit zu einer kompakten und gefährlich dunklen Masse verschmolzen waren. Ihm fiel die Wäsche ein, die er zum Trocknen aufgehängt hatte, aber er sagte sich, dass ihm noch genug Zeit bliebe. Er würde rechtzeitig zu Hause sein, bevor es wie aus Kübeln gießen würde. Allerdings müsste er ordentlich aufs Gas treten.
    Natürlich machte er sich Vorwürfe, dass er so lange im Café sitzen geblieben war. Seine Beine waren ganz steif geworden. Es dauerte, bis er sie entknotet hatte, und als er endlich aufrecht stand, erschien sein Sohn Roland auf der Bildfläche und baute sich mit seinem Schmerbauch vor ihm auf.
    «Huch, wo kommst du denn her?»
    «Jetzt tu mal nicht so, ich wohne hier gleich um die Ecke, wie du weißt.»
    Wenn Roland den Weg hierhergefunden hatte, hieß das zweifellos, dass es etwas Wichtiges zu besprechen gab. Aber der Dussel wusste mal wieder nicht, wie er es anstellen sollte. Um Zeit zu gewinnen, trat er von einem Fuß auf den anderen und räusperte sich mehrmals. Wie nervig.
    «Ja?»
    «Ich wollte nur sagen, wenn du weiterhin mit deinem Stock so eine Show abziehst, provozierst du noch einen Unfall.»
    Seufzend setzte Ferdinand sich wieder hin, nahm seine Pfeife und ein Päckchen Tabak heraus.
    «War das alles?»
    «Nein …»
    «Was noch?»
    «Was noch? Isabelle und ich sind der Meinung, das, wenn du schon keinen Fuß in unser Restaurant setzen willst – dafür haben wir ja Verständnis –, es trotzdem besser wäre, du würdest deinen Aperitif wenigstens bei uns auf der Terrasse trinken. Das wäre irgendwie normaler.»
    «Das klingt ja wie eine Einladung, mein Lieber.»
    Er nahm sich Zeit und zog mehrmals genüsslich an der Pfeife, um ihn noch mehr zu ärgern. Roland hasste es, wenn er rauchte.
    «Das ist sehr freundlich von dir, mein Junge. Und ich weiß dein Angebot zu schätzen. Es ist nur so, dass dieses Gläschen Weißwein, auch wenn ich nicht genau sagen kann, warum … hier einfach besser schmeckt als bei dir. Das ist nun mal so.»
    Roland musste schlucken. Wieder einmal spürte er ein heftiges Brennen in der linken Brustkorbhälfte – nichts Verdächtiges oder Ungewöhnliches (er hatte sich erkundigt, und Doktor Lubin hatte ihm erklärt, es handele sich um Herzflimmern, sonst nichts) –, und nachdem er sich mehrmals reflexhaft geräuspert hatte, machte er auf dem Absatz kehrt und ging zurück. Zu seinem Restaurant auf der gegenüberliegenden Seite, maximal fünfzig Meter von hier entfernt. Mit Raucherterrasse. Er bemühte sich um einen würdevollen und natürlichen Gang, trug den Kopf hoch, hielt die Schultern gerade, der Flaschenöffner baumelte an einer Schnur von seiner Hose herunter und schlug im Rhythmus seiner Schritte gegen sein Bein. So war es perfekt. Nur dass ihn sehr bald etwas störte. Etwas schien sich in seinen Rücken zu bohren, exakt zwischen seine Schulterblätter. Dort wurde es spürbar heiß. Es war der Blick des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher