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Und dann kam Paulette (German Edition)

Und dann kam Paulette (German Edition)

Titel: Und dann kam Paulette (German Edition)
Autoren: Barbara Constantine
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Töten war Verschwendung. Das war eine Spezialität der Menschen. Wozu? So etwas sollte man nicht nachahmen, Lolli.
    Nur: Wie konnte man das einem Kater erklären? Einem kleinen noch dazu. Kaum vier Monate alt. Was sieben Menschenjahren entspricht. Wie sollte er das verstehen?
    Nein, seit einiger Zeit erkannte er sich wahrhaftig nicht wieder, der Ferdinand. Er musste sich unbedingt wieder fangen.

    Am späten Vormittag zog der Himmel frei. Ferdinand nutzte das Wetter, um Wäsche zu waschen.
    Die Sache war dringend.
    Drei Nächte in Folge derselbe Traum, schon hatte er kein sauberes Laken mehr im Schrank. Und auch keine Pyjamahose.

    Übrigens: Sollte er eines Tages jemandem erzählen müssen, was er nach dem Auszug der Kinder empfunden hatte, würde er sagen, dass sich, nachdem der letzte Koffer eingeladen war, die letzten Küsse an die Kleinen verteilt waren und sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, unter seinen Füßen ein großes Loch aufgetan hatte, ein schwarzes Loch, tiefer als ein Schacht. Und dass ihn das Schwindelgefühl, das ihn in dem Moment erfasst hatte, seither nicht mehr losgelassen hat. Es würde von nun an zu seinem Leben dazugehören. Das hatte er begriffen.
    Aber die Chance ist gering, dass er eines Tages davon erzählen wird.
    Es ist nicht sein Ding, sich vor anderen zu entblößen.

[zur Inhaltsübersicht]
    4
    Ferdinand langweilt sich, aber nicht lange
    Nach dem Essen hängte er im Freien die Wäsche auf. Dann drückte er sich bei der Scheune herum. Als er an seinem Traktor vorbeikam, konnte er nicht widerstehen. Er kletterte auf den Sitz und ließ den Motor an, um zu sehen, ob er es noch tat. Anschließend ging er in die Werkstatt. Auf der Werkbank lag seit Wochen das Schild für Alfred, erst zur Hälfte graviert. Es war immer noch nicht fertig. Mit schlechtem Gewissen beäugte er das Werkzeug, begann mechanisch, alte Nägel zu sortieren. Er hatte einfach keine Lust zu arbeiten. Was soll’s? Also stieg er ins Auto, und als er an dem kleinen Weg vorbeikam, der zu Marcelines Haus führte, fuhr er langsamer, überlegte kurz, ob er halten und sich nach ihrem Zustand erkundigen sollte, beschloss aber, später am Abend bei ihr vorbeizuschauen. Und fuhr weiter ins Dorf. Nachdem er das Auto weit weg vom Marktplatz abgestellt hatte, nahm er einen Stock aus dem Kofferraum und schleppte sich übertrieben humpelnd die Hauptstraße hinauf. Er begegnete keiner Menschenseele. Was ihn ein wenig enttäuschte. Als er das Café am Platz erreichte, bestellte er sich ein Glas Weißwein und setzte sich draußen an einen der Tische. Das machte er seit zwei Monaten so.
    Die Rathausuhr zeigte halb vier.
    Er brauchte nur noch eine Stunde auszuharren, dann war die Schule aus und der Moment gekommen, in dem er seine Enkel sehen durfte. Seine Lulus. Ludovic acht Jahre alt, Lucien sechs. Er könnte ihnen einen Kuss auf die Wange drücken, bevor Isabelle herbeieilte und sie ihm entzog, um sie schnell in ihr neues Zuhause zu bringen unter dem Vorwand – den sie in leicht bedauerlichem Ton vorbrachte –, sie hätten ja so viele Hausaufgaben!
    Der Gedanke daran schnürte ihm die Kehle zu.
    Er trank etwas Weißwein, um den Kloß hinunterzuschlucken.
    Dann sah er sich um. Nichts zu sehen.
    Ihn fröstelte.
    Am Himmel versuchte ein Sonnenstrahl, sich an zwei grauen Wolken vorbeizumogeln. Ferdinand schloss die Augen und hielt das Gesicht in die Sonne, um sich wieder aufzuwärmen. Doch die Ruhe war nicht von langer Dauer. Rasche Schritte auf dem Bürgersteig. Klack klack klack klack. Ein junges Mädchen näherte sich im Kostümrock und mit hochhackigen Schuhen. Eine Seltenheit in dieser Gegend. Er überschlug rasch, dass ihm sieben Sekunden blieben, bis sie an ihm vorbeikam … sechs, fünf … schob seinen Stock … vier, drei … nach vorne … zwei, eins. Bingo. Das Mädchen stolperte und verdrehte sich den Knöchel. Aua, schrie sie. Sie wollte gerade dem Mistkerl, der ihr absichtlich seinen Stock in den Weg gestellt hatte , eine entsprechende Bemerkung an den Kopf werfen, als ihr Blick an Ferdinand hängenblieb. Es war ihm gelungen, einen derart besorgten und zutiefst zerknirschten Gesichtsausdruck aufzusetzen, dass sie lächeln musste. Aber sie besann sich rasch, warf ihm mit zusammengezogenen Augenbrauen einen bösen Blick zu und drohte ihm mit dem Zeigefinger, womit sie zum Ausdruck bringen wollte, dass die Masche mit dem armen Unschuldslamm bei ihr nicht zog. Sie kannte die Tricks der Alten in- und auswendig.
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