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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr
Autoren: Agatha Christie
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vier.
     
    Vier kleine Negerlein,
    die segelten ins Freie.
    Ein roter Hering schwamm vorbei,
    da waren’s nur noch dreie.
     
    Drei kleine Negerlein,
    gingen am Zoo vorbei.
    Eins wurde dort vom Bär zerquetscht,
    da waren’s nur noch zwei.
     
    Zwei kleine Negerlein,
    die zankten wie sonst keiner.
    Eins wurde in die Brust geschossen,
    da war es nur noch einer.
     
    Ein kleines Negerlein, ganz für sich allein,
    das litt und seufzte schwer.
    Es ging ins Haus und hängt’ sich auf.
    Da gab es keines mehr.
     
    Vera lächelte. Natürlich! Sie waren auf Nigger Island.
    Sie ging wieder zum Fenster, setzte sich auf die Bank und blickte nach draußen.
    Wie weit das Meer war. Von hier aus war nirgendwo Land zu sehen – nur diese weite Fläche blauen Wassers, die sich in der Sonne kräuselte.
    Das Meer… so friedlich, heute… manchmal so grausam… Das Meer, das einen in seine Tiefen hinabzog. Ertrunken… ertrunken gefunden… im Meer ertrunken… ertrunken… ertrunken… ertrunken…
    Nein, sie wollte nicht wieder daran denken… sie wollte nicht daran denken. All das war vorbei…
     

VI
     
    Dr. Armstrong kam auf die Insel, als die Sonne gerade im Meer versank. Auf der Überfahrt hatte er mit dem Kapitän geplaudert – einem Mann aus der Gegend. Er wollte ein wenig mehr über diese Leute herausfinden, denen die Insel gehörte, aber Narracott, so hieß der Mann, schien merkwürdig schlecht informiert, oder vielleicht wollte er nicht reden.
    Deshalb plauderte Dr. Armstrong nur über das Wetter und das Fischen.
    Er war müde nach der langen Autofahrt. Seine Augen schmerzten. Nach Westen fahren hieß gegen die Sonne fahren.
    Ja, er war sehr müde. Das Meer und diese perfekte Ruhe waren genau das, was er brauchte. Am liebsten würde er lange Ferien machen. Aber das konnte er sich nicht erlauben. Finanziell konnte er es sich natürlich erlauben, aber er konnte sich nicht erlauben, eine Zeit lang auszusteigen. Heutzutage war man schnell vergessen. Nein, jetzt wo er es geschafft hatte, musste er die Mühle weiter in Gang halten.
    «Und wenn schon», dachte er. «Heute Abend werde ich mir vorstellen, nie mehr zurückzugehen – ein für alle Mal alles hinter mir zu lassen, London und die Harley Street und alles andere.»
    Eine Insel hatte etwas Magisches – das Wort allein setzte Fantasie frei – eine Insel war ein Kosmos für sich. Man verlor den Bezug zur Welt – eine Insel war eine ganz eigene Welt. Eine Welt, aus der man vielleicht nie wieder zurückkehrte.
    «Ich lasse das normale Leben hinter mir», dachte er.
    Lächelnd begann er, Pläne für die Zukunft zu schmieden, fantastische Pläne. Er lächelte noch, als er die in den Felsen gehauenen Stufen emporstieg.
    In einem Sessel auf der Terrasse saß ein älterer Herr, und sein Anblick kam Dr. Armstrong irgendwie bekannt vor. Wo hatte er dieses Froschgesicht, diesen Schildkrötenhals, diese gebeugte Haltung – ja, und diese fahlen, schlauen Augen schon einmal gesehen? Natürlich. Der alte Wargrave. Er hatte einmal vor ihm als Zeuge ausgesagt. Sah immer aus, als würde er halb schlafen, aber war verdammt gerissen, wenn es um eine juristische Frage ging. Machte großen Eindruck auf die Geschworenen – es hieß, er könne an jedem Tag der Woche bestimmen, was sie denken. Er hatte sie zu zwei sensationellen Verurteilungen getrieben. Ein Bluthund, sagten die Leute.
    Eigenartig, ihn hier zu treffen… hier – am Ende der Welt.
     

VII
     
    Richter Wargrave dachte bei sich: «Armstrong? Ich erinnere mich an ihn im Zeugenstand. Sehr korrekt und vorsichtig. Ärzte sind verdammte Idioten. Und die von der Harley Street sind die schlimmsten.» Und er erinnerte sich mit Widerwillen an eine Unterhaltung, die er vor kurzem in genau dieser Straße mit einem dieser übertrieben verbindlichen Menschen geführt hatte.
    Laut brummte er: «Drinks gibt’s in der Eingangshalle.»
    Dr. Armstrong sagte: «Ich muss dem Gastgeber und der Gastgeberin meine Aufwartung machen.»
    Richter Wargrave schloss wieder die Augen und sah entschieden wie ein Reptil aus, als er antwortete: «Das können Sie nicht.»
    Dr. Armstrong war überrascht.
    «Warum nicht?»
    «Es gibt weder einen Gastgeber noch eine Gastgeberin», sagte der Richter. «Höchst seltsamer Stand der Dinge. Schwer zu durchschauen.»
    Dr. Armstrong starrte ihn eine Weile an. Als er schon dachte, der alte Herr wäre eingeschlafen, fragte Richter Wargrave plötzlich: «Kennen Sie Constance Culmington?»
    «Äh, nein – tut mir
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