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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück
Autoren: dtv
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hatte, würde ich den Bürobetrieb vermutlich für die nächste
     Stunde lahmlegen.
    Das durfte natürlich nicht sein, denn Zeit ist Geld. Unser Büro hat sich auf Nachlassermittlungen spezialisiert, was vielen
     Leuten sehr mysteriös erscheint. Sie denken dabei an Detektive, die sich in unauffälligen Trenchcoats in Hauseingängen herumdrücken,
     um Verdächtige zu beschatten. Dabei findet der größte Teil der Arbeit entweder im Internet oder per Post statt, weil es mehrheitlich
     darum geht, Angehörige im Ausland zu ermitteln oderLeute aufzuspüren, die nach Familienstreitigkeiten nicht mehr auffindbar sind.
    Nun bin ich nicht diejenige, die stundenlang Mikrofilme sichten oder alte Archive durchforsten muss. Meine Arbeit besteht
     eher darin, die umfangreiche Korrespondenz zu erledigen. Vermutlich wird man, wenn ich mal tot bin, meine Ohren vergleichen
     und feststellen, dass eins größer ist als das andere, weil ich dort immer den Knopf des Diktaphons getragen habe. Deshalb
     achte ich bei meiner Frisur auch immer darauf, dass sie die Ohren bedeckt, aber das interessiert vermutlich niemanden. Interessant
     sind eher die Ergebnisse, die Mitarbeiter wie Lea und Doris produzieren, um irgendwelchen ahnungslosen Erben zu einem Vermögen
     zu verhelfen, wenn sie sich nicht gerade mit solchen nutzlosen Themen wie Ravioli beschäftigen.
    »Wieso interessierst du dich eigentlich für vegetarisches Essen?«, fragte ich Lea. »Erst neulich hast du mir noch das Rezept
     für dieses asiatische Hähnchengericht gegeben. Das war übrigens lecker, auch wenn ich kein Zitronengras gekriegt habe.«
    »Ich bin dabei umzudenken«, belehrte sie mich. Das gequälte Gesicht von Doris war ein Hinweis darauf, dass sie das heute nicht
     zum ersten Mal referierte. »Ich bin ja schon eine Weile auf der Suche, das ist mir aber jetzt erst klar geworden, nachdem
     ich die Schriften des Bodhisattva Monasanga kennengelernt habe.«
    Body was? Ich wagte nicht nachzufragen. Brauchte ich auch nicht, denn Lea war schon mitten im Thema. Sie erzählte von Sachen
     wie großen Fahrzeugen und achtfachen Pfaden, von gutem und schlechtem Karma, das über unsere Wiedergeburt entscheidet, und
     dass das Elend der Welt durch die Gier verursacht wird, die es durch tugendhaftes Leben zu überwinden gilt.
    »Bist du denn eher am Theravada interessiert oder am Mahayana?«, fragte ich sie, und ich sah aus dem Augenwinkel, wie Doris’
     Hand über ihrer Computertastatur abrupt innehielt.
    Leas Augen wurden kreisrund. »Verfolgst du auch den achtfachen Pfad?«
    »Nein, aber ich hab eine Freundin, die Buddhistin ist.« Wobei das schon recht intensiv war, denn glauben Sie mir, Begriffe
     wie ›Theravada‹ merken Sie sich nicht beim ersten Hören. Auch wenn sie wie Zahnpasta klingen. Oder vielleicht gerade deshalb.
    Leas Gesichtsausdruck signalisierte Begeisterung. »Weißt du, zu welchem spirituellen Zentrum sie geht?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Aber ich kann sie ja mal fragen.«
    »Ach ja, bitte. Wenn sie auch der Lehre von Bodhisattva Monasanga folgt, das wäre einfach vollkommen.«
    Doris drehte sich noch einmal zu uns um. »Sag mal, Lea, warum wirst du nicht einfach katholisch? Da kannst du essen und anziehen,
     was du willst, und diese komplizierten Namen musst du auch nicht lernen.«
    »Ich war katholisch«, sagte Lea mit Nachdruck. »Und es hat mir überhaupt nichts gebracht.«
    »Wenn hier etwas was bringen soll«, sagte Horst Adler, der uns alle durch seine plötzliche Anwesenheit zusammenfahren ließ,
     »dann ist es ja wohl konzentrierte Arbeit. Haben Sie schon irgendwas im Fall Engelhardt erreicht?«
    »Noch nicht«, sagte Lea zerknirscht und schlich in Richtung ihres Büros.
    Horst sah ihr irritiert nach. »Über was für merkwürdige Themen unterhalten Sie sich eigentlich hier?«
    »Wir sprachen über Seelenwanderung«, behauptete Doris unerschrocken. »Und so lautlos wie Sie sich anschleichen,waren Sie wohl in einem früheren Leben eine Fledermaus, Herr Adler.«
    »Ich war ein Vampir«, entgegnete er und bleckte seine Zähne. Allerdings erinnerte er mich so eher an ein Pferd als an einen
     Vampir. »Glauben Sie denn an Seelenwanderung?«
    »Ich nicht«, sagte Doris. »Mir reicht schon, wenn ich einmal auf der Erde bin. Aber Lea interessiert sich neuerdings für fernöstliche
     Weisheiten.«
    »Alles Schnickschnack«, sagte Horst Adler abfällig. »Dieses Rumsitzen und ›Omm‹-Singen führt doch nur zu Passivität und Phlegma.
     Ich glaube,
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