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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück
Autoren: dtv
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nähere Position zu Tante Paula hatte, obwohl
     ich eher da gewesen war. Selbst wenn er das konkrete Piesacken mit Blasrohren, Furzkissen und ähnlichen Scherzartikeln längst
     aufgegeben hatte, fühlte ich mich in seiner Anwesenheit immer etwas unsicher, sogar wenn er wie jetztsofort aufstand und mir mit tadellosen Umgangsformen seinen Stuhl anbot.
    »Bleib doch sitzen«, sagte ich abwehrend. »Ich muss erst mal die Sachen verstauen.« Ich leerte meine Tüte in Paulas Schrank
     und ihr Nachtschränkchen aus. »Möch test du das Bettjäckchen gleich anziehen?«
    Während sie sich noch in das Jäckchen wurschtelte, kam die Visite, und wir mussten das Zimmer verlassen. Blasser Vater und
     dicke Tochter stürzten sich sofort auf die Sitzgruppe am Ende des Korridors, sodass Nick und ich etwas hilflos voreinander
     im Flur standen.
    »Wie geht es dir?«, fragte er freundlich. »Ich hab dich lange nicht gesehen.« Früher war er kleiner als ich gewesen und hatte
     lange blonde Locken gehabt. Inzwischen überragte er mich, und seine Haare waren maximal einen Zentimeter lang. Aber in seinen
     Augen erkannte ich immer noch das Funkeln, das mich seit jeher verunsicherte.
    »Das ist ja nicht weiter schlimm«, sagte ich schroffer als nötig. »Es hat sich nicht viel geändert in meinem Leben.«
    »Ich weiß nicht«, meinte er grinsend. »Paula hat mir gerade erzählt, dass du gestern mit Jan Hörnum hier aufgetaucht bist.
     Das klang wie eine kleine Sensation.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist auch nur so ein abgewrackter Dorfschauspieler«, behauptete ich. »Ich hätte ihn nicht
     mal erkannt.«
    Das Funkeln verstärkte sich. »Ach nee«, meinte er. »Und wo hast du den aufgelesen?«
    »Erst ist er mir auf dem Parkplatz ins Auto gerasselt, und dann hat er mich verfolgt.«
    Nick schmunzelte. »Na, so was. Das muss doch ein tolles Gefühl für dich sein.«
    »Wenn mir jemand in mein Auto fährt und dann behauptet,es wäre meine Schuld gewesen? Nein, vielen Dank.«
    Er hatte inzwischen viele Lachfältchen, wenn er so grinste wie jetzt. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn gründlich zu mustern,
     von den kurz geschnittenen Haaren, die ihn fast glatzköpfig aussehen ließen, weil er so blond war, über Rollkragenpullover,
     Lederjacke und Jeans bis zu den klassischen schwarzen Schuhen. Er hatte viel von Onkel Rudolf – die breiten Schultern, den
     schwindenden Haaransatz, die langen Beine – aber er hatte sich noch nicht den Bauch zugelegt, den sein Vater mit zunehmendem
     Alter vor sich hertrug. Ich fand das unfair. Seit Magnus’ Geburt kämpfte ich mit meinem Gewicht, und inzwischen hatte ich
     mich beinahe damit abgefunden, dass ich im besten Fall in Größe Zweiundvierzig passte (aber nur, wenn das Teil großzügig geschnitten
     war). Stephan hatte zwar versucht, mich bei meinen Diäten moralisch zu unterstützen, aber genutzt hatte es wenig. Und Nick
     hätte vermutlich immer noch die Klamotten anziehen können, die er sich als Student gekauft hatte.
    Jetzt wurde er wieder ernst. »Hast du dir seine Versicherungsdaten geben lassen?«
    »Ich habe mir seine Adresse und sein Autokennzeichen aufgeschrieben.«
    Er sah aus, als ob er mit dieser Information unzufrieden sei. »Na, hoffentlich hat er dir keinen Bären aufgebunden. Wenn du
     Schwierigkeiten kriegen solltest, sag mir Bescheid. Mein Freund Torben ist Fachanwalt für Verkehrsrecht.«
    Na klar. Nick hatte Freunde in allen wichtigen Positionen: Chefärzte, Anwälte, möglicherweise auch Kriminalkommissare und
     Regierungsdirektoren. Immer bereit, ihm einen Gefallen zu tun.
    Ich beschloss, über meinen Schatten zu springen undihn das zu fragen, was mich interessierte. »Offensichtlich ist Tante Paulas Arzt ja auch dein Freund. Was hat denn der gesagt?«
    Seine Miene verfinsterte sich. »Tja, das ist so eine Sache. Sie hat nur diesen Bruch, das ist für die Leute hier etwas ziemlich
     Banales. Deswegen werden die sie voraussichtlich schon nächste Woche nach Hause schicken.«
    »Aber was machen wir denn dann?«, fragte ich ratlos. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie allein mit Krücken in ihrem
     Haus zurechtkam. Schon mit dem Mülleimer, dessen Bewegungen Frau Grützbauer so akribisch überprüfte, würde sie sich wirklich
     was einfallen lassen müssen.
    Nick schüttelte grimmig den Kopf. »Keine Ahnung. Ich vermute mal, du hast auch keine Lust, deinen Jahresurlaub zu nehmen,
     um sie die nächsten Wochen zu versorgen?«
    »Eher nicht«, sagte ich zögerlich. So
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