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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Autoren: Samy Molcho
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dass der oder
die Liebste noch »ankommen«. Es soll gar nicht Eifersucht erzeugen, sondern lächelnde Wertschätzung. Auf der anderen Seite könnte ein wenig Eifersucht den Partner aus der Routine wecken. »Warum nicht auch wieder einmal flirten, wieder spielen, wieder ein Risiko eingehen?« Denn Routine verleiht nur eine scheinbare Sicherheit, die in einen Dornröschenschlaf führt. Gefühle und Leidenschaften können jedoch nur durch Bewegung wieder geweckt werden. Aber wir werden alt und alt zu werden kann schön und weniger schön sein, wobei ich nicht von Krankheiten spreche. Der Ruhestand kommt auf uns zu. Das Bedürfnis nach Ruhe entsteht ganz von selbst, da die physischen Kräfte abnehmen. Wir bringen nicht mehr ganz so viel körperliche Energie auf wie früher. Die Verlangsamung der Bewegungen kann dazu führen, dass es uns schwerer fällt, mit anderen Schritt zu halten, mit ihnen den gleichen Rhythmus zu teilen. Man zieht sich ein wenig zurück, weil das Gefühl, den anderen vielleicht zur Last zu fallen und nicht mehr an der Dynamik des Alltags teilnehmen zu können, Überhand gewinnt. Dieser Weg führt in die Isolation, die Distanz bedeutet.

Einsamkeit
    Mit dem Verfall der Großfamilie als soziale Gemeinschaft ist das Leben älterer Leute einsamer geworden. Sie leben nicht mehr in einem Familienverband, sondern allein. Kinder und Enkelkinder kommen gerade noch einmal zu Besuch und schon machen sie sich wieder davon. Eine wirkliche Nähe, die durch das gemeinsame Familienleben und die Funktionen entstand, die der alte Mensch darin erfüllen durfte, entsteht nicht allein dadurch, gelegentlich als Babysitter gebraucht zu werden.
    Die Distanz, die sich mit den modernen Lebensverhältnissen entwickelt hat, kann dazu führen, dass der ältere Mensch in die Isolation gerät. Dabei braucht auch er ebenso Austausch und Bestätigung wie die Jüngeren. Denn Eitelkeit und das Bedürfnis nach Anerkennung verringern sich mit dem Altern keineswegs, im Gegenteil, sie nehmen zu. Natürlich versucht fast jeder, die eigenen Schwächen zu verbergen. Wer nicht mehr so gut hört, vermeidet es womöglich, ein Hörgerät zu tragen, weil es sichtbar auf sein Manko hinweisen könnte. Diese Scheu hat zum Ergebnis, dass man
von Gesprächen nur noch Teile mitbekommt, was sich noch stärker auswirkt, weil der Sprechrhythmus der jungen Generation sich gegenüber früheren Zeiten auch noch beschleunigt hat. Also verringert sich die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme.
    Den Jüngeren wäre es natürlich möglich, den Älteren aus ihrer Isolation herauszuhelfen, indem sie beispielweise Fragen stellen, selbst etwas langsamer oder etwas lauter sprechen - am besten, ohne nachzufragen, ob es jetzt langsam oder laut genug sei. Rücksichtnahme ist das Stichwort. Fragen ermuntern zur aktiven Teilnahme, Aufgaben, die man den Älteren überträgt, stärken das Selbstbewusstsein, erneuern das Gefühl, gebraucht zu werden. Ganz wichtig im Sinne einer Beteiligung der älteren Menschen am gemeinsamen Leben ist es, sie zu ermuntern, aus ihrer Vergangenheit und ihren Erfahrungen zu erzählen. Und ob man es glauben will oder nicht: Wir können tatsächlich etwas daraus lernen.
    Kleine Berührungen erzeugen am allerbesten und am einfachsten das Gefühl von Nähe, das gilt für Jung und Alt und wird nie aufhören, wirksam zu sein.
    Bleibt ein Partner schließlich allein zurück, dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Niemand berührt sie mehr, es sei denn, wir zählten die notwendigen, aber meist unerwünschten Berührungen mit, die medizinische Versorgung mit sich bringt. Wir brauchen aber die freiwillige und gewünschte Berührung, unsere Haut bedarf ihrer, um lebendig zu bleiben, denn Berührung vermittelt Nähe. Könnte das der Grund dafür sein, dass ältere Leute sich in der Öffentlichkeit häufig durch eine Menschenansammlung drängen? Steckt darin der versteckte Wunsch, Berührung zu spüren, Menschen zu spüren? Und gehen sie auch deshalb zum Arzt, weil sie damit rechnen können, im Wartezimmer nicht allein zu sein, sondern auf Mitmenschen zu treffen? Man kann sich unterhalten, in Zeitschriften blättern, und so wird auch eine längere Wartezeit ohne Verstimmung hingenommen. Vielleicht ist dann schließlich doch die Berührung eines verständnisvollen Arztes gefragt, der den Puls misst, den Rücken abklopft, den Patienten an die Hand nimmt, kurz, das Berührungsbedürfnis auf sanfte Art stillt.

    Alleinstehende Menschen, besonders ältere, brauchen
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