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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
Autoren: Ulrich Kienzle
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zur »Zeit« kam, verdanke ich Eschenburg. Ich war bei ihm im Seminar, saß an meiner Doktorarbeit und dann kam die Gräfin Dönhoff, die ihn angeheuert hatte als Kolumnisten. Ob er nicht einen jungen Mann wüsste, dessen Nase gut bei der »Zeit« reinpassen könnte. Da hat er mich genannt. Am 19. Juli 1957 habe ich sie dann in Stuttgart getroffen. Sie war auf dem Weg nach Lautlingen.
    Im Dienst-Porsche?
    Nein, sie kam mit der Bahn. Sie war auf dem Weg nach Lautlingen zu den Stauffenbergs 3 , am Vorabend des 20. Juli. Wir haben uns in der Königstraße getroffen, in einem Café in der Nähe des Hauptbahnhofs. Da sagte sie plötzlich: »Meine Sekretärin hat mir keine Fahrkarte von Stuttgart nach Lautlingen besorgt. Und ich habe kein Kleingeld dabei.« Da habe ich ihr 4,65 DM für die Fahrkarte ausgelegt. Wir haben bis an ihr Lebensende freundschaftlich darüber gestritten, ob sie je zurückbezahlt hat. Oder nicht. Aber es war eine gute Investition!
    Ich habe bei Eschenburg eine Vorlesung über schwäbische Politik gehört. »Arschloch« sei ein schwäbisches Schlüsselwort, hat er damals gesagt und unter anderem zitiert, dass »Arschloch« im Schwäbischen keine Beleidigung sei. Ist das auch für Sie ein Schlüsselwort?
    Ich bin einmal auf die Zugspitze gewandert, hinauf über den Grat. Und wie ich da stand, kam von der Seite ein anderer. Den kannte ich – aus Schwäbisch Gmünd. Er kannte mich auch. Da rief er aus: »Jetzt leck mi no am Arsch!«
(Beide lachen.)
    Eine schwäbische Begrüßungsformel.
    Auch ein Ausdruck der Überraschung.
    Können Sie noch Schwäbisch?
    Wenn i muas, no gôt des scho’ no. 4 Meinen Hamburger Freunden erzähle ich oft, was für eine wunderschöne Grammatik der schwäbische Dialekt hat. Zum Beweis trage ich dann vor:
    »I han amol oin kennt ghett, 5
der hot oine kennt ghett,
dui hot a Kend ghett
.
    Des hot se aber ned von sellem ghett,
der hot nemlich nemme kend ghett
.
    Se hot aber no an andra kennt ghett,
der hot no kend ghett
.
    Ond wenn se den ned kennt ghett hett,
dann hät se au das Kend ned ghett.«
    Plusquamperfekt?
    Ja! Das gibt es komischerweise im Schwedischen auch noch.
    Für die meisten Schwaben ist ja Hochdeutsch die erste Fremdsprache. War das für Sie auch so?
    Wir haben zu Hause Berlinerisch und Hochdeutsch gesprochen. Aber auf der Gass’ henn mer nadierlich schwäbisch g’schwätzt. 6 Ich weiß noch: Als 17-Jähriger wollte ich Tanzstunden machen mit ein paar Schulfreunden in Schwäbisch Gmünd. Wir mussten zum Direktor des Gymnasiums, um Genehmigung zu ersuchen. Die erste Frage, die er stellte – Professor Dietzel, er hat Französisch und Geschichte gelehrt –, die erste Frage war: »Ja, was henn’der denn für Mätza?« 7
    Das ist der freundliche Umgang des Schwaben mit dem weiblichen Geschlecht?
    Na ja – »die heilige Mätz« heißt das auch im Mittelhochdeutschen. Die Madonna war das. Auch im Unterricht haben die Lehrer sehr viel schwäbisch gesprochen. Bloß wenn dann ein Goethe-Text verlesen wurde …
    Dann wurde der auf Hochdeutsch vorgetragen. Mit schwäbischem Sound.
    Das Schwäbische war die Alltagssprache.
    Wie wurden Sie als Kind von nicht schwäbisch schwätzenden Eltern von den Schwaben aufgenommen? Vielen Schwaben waren früher Menschen, die hochdeutsch sprachen, suspekt. Haben Sie das auch erlebt?
    Ja. Meine Großeltern, die Oma und der Stiefopa, die kamen 1946 aus Berlin nach Gmünd. Und die wurden schief angesehen. Natürlich. Ihr Deutsch klang falsch in den schwäbischen Ohren.
    Gibt es noch etwas, was an Ihnen selbst schwäbisch ist?
    Wissen Sie, ich bezeichne mich als gelernten Hamburger.
    Im Schwäbischen sagt man dazu Neig’schmeckter.
    Hier heißt das »Quiddje«. Ich habe natürlich auch das Hanseatische mit aufgesogen. Aber ich komme immer gerne ins Schwabenland. Ich vermisse manchmal das Wandern auf der Schwäbischen Alb. Ich erinnere mich gerne an meine erste Besoffenheit bei einem Klassenkameraden. Dessen Eltern hatten ein Gasthaus in Wäschenbeuren. Und was haben wir getrunken?
    Most?
    Mooscht!
    Das gibt ja fürchterliches Kopfweh!
    Ich weiß! Dasselbe hat uns ereilt, als wir morgens auf dem Friedhof aufwachten.
(Beide lachen.)
    Es gibt zwei schwäbische Geschlechter, die die deutsche Geschichte sehr stark beeinflusst haben. Das waren die Staufer. Aber auch die Hohenzollern. Das waren ja auch Schwaben. Wie erklären Sie als Historiker sich, dass da auf so engem Raum zwei so wichtige politische Familien hochkamen?
    Vielleicht eine
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