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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
Autoren: Ulrich Kienzle
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Begabung zur Macht. Wahrscheinlich glückliches Erben. Und auch ein Talent, auszugreifen.
    Sich was unter den Nagel zu reißen?
    Genau, das meinte ich mit ausgreifen. Oder sollte ich sagen: abgreifen.
    Im 12. Jahrhundert ist ja ein Teil der schwäbischen Hohenzollern nach Preußen ausgewandert.
    Ja. Die haben, glaube ich, noch einen kleinen Umweg über Nürnberg und Ansbach gemacht. Also über Franken.
    Und das endete schließlich im preußischen Hurra-Patriotismus. Die Preußen waren eigentlich wildgewordene Schwaben, die den Kontakt mit ihrer schwäbischen Basis verloren hatten!
    Ich weiß nicht, wann die Hohenzollern aufgehört haben, sich als Schwaben zu empfinden.
    Auf jeden Fall ist das doch ungewöhnlich – diese beiden Geschlechter. Friedrich II., »Stupor Mundi«, 8 war ein weltläufiger Mensch. Der hat besser arabisch als schwäbisch gesprochen.
    Das war der erste Multikulti-Kaiser.
    Der war ja auch nie zu Hause.
    Ich glaube, der war nie im Schwäbischen. Er hat in Palermo gelebt – und sich mehr unter den Arabern rumgetrieben.
    Das ist doch erstaunlich, dass damals die Weltläufigkeit der Schwaben viel weiter war als etwa vor 50 Jahren?
    Ich habe in Amerika studiert – von 1950 bis 1952. Ich bin da auch quer über den Kontinent gereist. Und ich habe mir immer gerne Friedhöfe angeschaut. Und überall, im Mittleren Westen, in Pennsylvania, überall habe ich schwäbische Namen entdeckt. Die Schwaben waren immer sehr weltläufig. Die sind immer hinausgegangen in die Welt. Nicht zuletzt wegen der Armut zu Hause. Und sie haben es ja auch zu etwas gebracht. Im Übrigen: Wenn ich darüber nachdenke, dieses »Wir können alles, außer Hochdeutsch« – das ist ja doch ein sehr treffendes Schlagwort. Wenn Sie sich überlegen, was das Schwabenland alles an Dichtern hervorgebracht hat. Schiller, Mörike, Hölderlin, den singenden Silcher. Bis hin zu Hermann Hesse. Aber auch die Tüftler: Die Schwaben haben die Welt ja versaut durch die Erfindung des Autos.
    Meinen Sie das ernst?
    Nein, nicht wirklich. Ein so begeisterter Fußgänger bin ich nicht mehr.
(Beide lachen.)
    Woher kommt dann dieses Image vom engstirnigen Schwaben?
    Unkenntnis. Ignoranz. Ich glaube, wer sie wirklich kennt, merkt: Die Schwaben sind Tüftler. Sie sind Denker. Da gibt es – bei aller Bodenständigkeit und bei aller Ungelenkheit im Auftreten – eine ungeheure Neugierde auf den Rest der Welt. Wenn Sie mal schauen, wer alles draußen ist! Aus Schwäbisch Gmünd kam ein Kunstmaler, der hieß Emanuel Leutze. Dieser Leutze hat das berühmte Bild gemalt »Washington Crossing the Delaware«. Das ist für Amerika so ikonenhaft wie für uns irgendein Lenbach-Bismarck. 9 Ein winziges Boot auf dem Fluss mit schäumenden Wellen – und Washington steht aufrecht da, während ringsum die Kugeln einschlagen.
    Baden-Württemberg war ja lange wirtschaftlich gesehen die Nummer eins in Deutschland. Wird aber immer als das »Ländle« bezeichnet. Stoiber hat es ja geschafft, dass die Republik glaubt, Bayern wäre die Nummer eins. Sind die Schwaben zu bescheiden?
    Man hat ja lange gesagt: Die Gesetze werden in Berlin gemacht, in München gelesen und in Stuttgart ausgeführt.
    Auch Kretschmann ist ja ungemein beliebt in Baden-Württemberg. Er kommt im Bund aber nicht so richtig vor.
    Er ist sehr populär in Baden-Württemberg. Bundespolitisch spielt er aber kaum eine Rolle. Ich sehe auch nicht, dass er irgendeinen Einfluss ausübt.
    Und es sieht auch nicht so aus, als wolle er das.
    Er ist ein typischer Schwabe. »No nix Narrets!« 10 – Bodenhaftung behalten und vernünftig bleiben!
    Ist das heute der richtige Weg, Politik zu machen?
    Ich glaube, er bricht damit aus dem vorherrschenden Muster aus. Heute gilt: Alles möglichst schnell und ohne dass man nachgedacht hat. Bei ihm spürt man, egal ob man mit seinen Entscheidungen einverstanden ist oder nicht: Dahinter steht Abwägung, Überlegung und Überzeugung.
    Oft wird er mit Ex-Bundespräsident Heuss verglichen!
    In Heuss haben sich schwäbisches Bildungsbürgertum und schwäbische Bodennähe mit Vernunft und Bescheidenheit vermengt. Es gibt da eine Geschichte: Er lebte in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, dort hatte er ein Haus. Neben ihm wohnte zufällig der Mercedes-Chef. 1952 oder wann das war. Damals gab es gerade einen Miniskandal, weil Mercedes Leihautos an Regierungsbeamte gegeben hatte. Der Mercedes-Chef schaute eines Tages über seinen Gartenzaun und sah, wie der Heuss gerade den Gartentisch
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