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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel
Autoren: S Mann
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und knusprige Papadams , frittierte Linsenfladen, nebst scharf eingelegten Mangostücken. Ich hatte es vorgezogen, mich an einem der Stehtische zu verpflegen, die seitlich neben dem Tresen standen, denn ich wollte nicht lange bleiben.
    Der Laden lief mit jedem Jahr besser. Mittlerweile hatte meine Mutter, eine etwas untersetzte, aber umso energischere Frau, Stühle und Tische angeschafft, damit die Kundschaft sich zum Essen auch setzen konnte.
    Zusätzlich zu den indischen Stammkunden, was viele Schweizer als Ritterschlag für die Küche deuteten, sah man vermehrt auch Geschäftsleute, welche vielleicht schon zu viele der überkandidelten Restaurants in der Stadt besucht hatten und gerade deswegen die Einfachheit des Lokals schätzten. Daneben kamen aber auch Prominente, Polizisten und Prostituierte vorbei, die einen manchmal sogar in Begleitung der anderen, vegetarische Esoterikerinnen, Yogalehrer und Künstler aus dem Quartier. Eine bunt gemischte Gästeschar.
    Was einst ein Lebensmittelladen gewesen war, hatte meine Mutter den Bedürfnissen der Gäste angepasst. Und so war aus dem Geschäft mit kleiner Take-away-Theke ein Restaurant mit täglich wechselnden Menüs geworden, in dem man sich nebenbei mit Currymischungen, gefrorenem Fisch und frisch aus Mumbai importiertem Gemüse und Kräutern eindecken konnte.
    »Was hast du gesagt?«, fragte meine Mutter, die gerade einen leer gewordenen Tisch abgeräumt hatte und nun mit einem Stapel schmutzigen Geschirrs an mir vorbeilief.
    »Lecker«, wiederholte ich, worauf sie mir einen überraschten Blick zuwarf.
    »Wirklich? Ich hab ihr noch gesagt, dass sie nicht so viel Knoblauch drangeben soll …« Sie sah sich mit hochgezogenen Augenbrauen um.
    »Es ist perfekt, glaub mir, Ma«, bekräftigte ich mein Lob.
    »Manju hat sie zubereitet«, erklärte sie unwillig und begab sich hinter den Tresen, wo sie das Geschirr etwas zu scheppernd auf der Spülmaschine platzierte, die sie sich ebenfalls neu angeschafft hatte.
    Sofort blickte ich mich nach Manju um und entdeckte sie an einem der hinteren Tische, wo sie gerade kassierte. Vier hellhäutige, nicht mehr ganz taufrische Frauen in weiten, indisch anmutenden Gewändern, die auffälligen Ethnoschmuck, Hennaverzierungen auf den Händen und zu viel Wimperntusche trugen. Zwei von ihnen hatten sich kunstvoll gewickelte Turbane aufgesetzt. Die Damen stellten sich gerade äußerst umständlich an, weil die eine den Tee der anderen bezahlen wollte, diese aber gern die Hälfte der Mineralwasserflasche, die sie geteilt hatten, zudem konnte sich keine erinnern, Paneer Karahi bestellt zu haben. Und sowieso musste jemand noch die andere Hälfte des Wassers übernehmen.
    Manju, die eine helle Seidenbluse und einen goldenen Gürtel zu engen schwarzen Hosen trug, wandte ungeduldig den Kopf, während die Frauen zischelnd darüber stritten, wer welchen Betrag berappen musste. Unsere Blicke trafen sich kurz. Manju zwinkerte mir zu, bevor sie sich wieder zu den Damen hinunterbeugte und darauf hinwies, dass Paneer das vegetarische Tagesmenü sei. Worauf erleichterte Rufe hörbar wurden. Manju sah mich an und rollte unauffällig mit den Augen. Dann regelte sie die Verteilung des Betrags mit der beängstigend ruhigen Stimme einer Kindergärtnerin am Rande des Nervenzusammenbruchs.
    »Du kochst fabelhaft«, sagte ich zu ihr, als sie gleich darauf an meinen Stehtisch kam. Ich hatte mittlerweile beide Teller restlos leer gegessen.
    Sie errötete und machte eine abwehrende Bewegung. » Chup kar , Vijay!«
    »Doch, doch, das Tandoorihähnchen war so toll …«, ich überlegte angestrengt, »… so toll wie …«, der passende Vergleich fiel mir einfach nicht ein.
    »… wie wenn es deine Mutter gemacht hätte?«, ergänzte Manju spöttisch lächelnd. Wie auf Kommando richtete sich meine Mutter auf, welche die Maschine mit Geschirr befüllte, und musterte uns misstrauisch.
    »Nun ja …«, murmelte ich halblaut und verzichtete darauf, den Satz zu beenden.
    Manjus Lächeln wurde noch einen Tick spöttischer. Sie ließ mich stehen, kam aber mit zwei Tassen dampfenden Chais zurück. Eine stellte sie vor mich hin, um die andere legte sie beide Hände und blies vorsichtig hinein. »Und du?«
    »Was?«
    » Aré , kochst du?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ich wette, du kannst nicht kochen«, neckte sie mich und kicherte.
    Beleidigt richtete ich mich auf. »Ich hab meine Geheimrezepte. Da gehen die Leute scharenweise auf die Knie!«
    »Weil ihnen
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