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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel
Autoren: S Mann
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es.«
    Fassungslos griff sich Bastiani an den Kopf. »Deshalb nahmen Sie an, ich sei rumgelaufen und hätte einfach einen nach dem anderen abgemurkst?«
    »Die Indizien wiesen alle in Ihre Richtung.«
    Er kam näher und fixierte mich prüfend. Sein entstelltes Gesicht und die Narben so dicht vor mir zu sehen, jetzt, da ich wusste, was ihm widerfahren war, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Doch ich hielt seinem Blick stand.
    »Ich will Ihnen etwas zeigen.« Er legte mir die Hand auf die Schulter und drehte mich um die eigene Achse. »Ich hatte Rachegefühle. Schreckliche Gedanken, Sie können sich gar nicht vorstellen, was einem nach einem solchen Überfall alles durch den Kopf geht. Mein Freund war plötzlich schwerstbehindert, ich konnte meinen Job nicht mehr ausüben, ich war entstellt, mein Leben war zerstört. Ja, ich gebe es zu, ich wollte mich rächen.«
    Er deutete auf den hüfthohen Stahlkäfig, der dem Bett gegenüber stand. Ich hatte ihn schon zuvor entdeckt und erinnerte mich jetzt, dass Balthasar bei meinem Besuch im Fetischladen eine Sonderanfertigung mit Kopfpranger erwähnt hatte. Aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, zu welchem Zweck er sich hier im Raum befand.
    »Mit den Männern, die weggerannt sind, habe ich nichts zu tun, ich würde sie nicht einmal wiedererkennen, wenn sie direkt vor mir stünden.« Bastiani trat an den Zwinger heran. »Aber die Täter hat man gefasst. Der Erste wird nächste Woche vorzeitig entlassen. Wegen guter Führung.«
    Seine Finger strichen sanft über die Gitterstäbe, während er um den Käfig herumging. »Ich war voller Hass. Als Alain plötzlich wieder begann, selbstständig zu atmen, und ich ihn nach Absprache mit den Ärzten ein paar Monate später nach Hause nehmen durfte, habe ich diesen … Zwinger gekauft und ihn direkt vor Alains Bett aufgebaut. Ich wollte, dass sie sehen, was sie angerichtet haben. Dass sie richtig hingucken müssen und den Kopf nicht abwenden können.«
    »Und Sie hätten einen nach dem anderen entführt und hier eingesperrt?«
    »Eine Zeit lang fand ich das eine großartige Idee.«
    »Und was hätten Sie danach mit den Tätern gemacht?«
    Bastiani macht eine wegwerfende Handbewegung. »Der Plan war von Beginn an etwas halbgar, ich gebe es zu. Ich ließ ihn auch sofort fallen, als es mit Alain schrittweise bergauf ging. Er reagiert jetzt auf mich, erkennt mich wieder. Es ist mir wichtiger, mich darauf zu konzentrieren. Auf das, was ist und nicht, was war.« Er lächelte seinem Partner zu.
    »Sie gaben Ihre Rachepläne wegen Alain auf?«
    »Es wäre ohnehin keine Lösung gewesen, glücklicherweise habe ich das rechtzeitig eingesehen. Alain wird dadurch nicht geheilt und mein Gesicht bleibt so verunstaltet, wie es ist. Wir müssen lernen, mit den gegebenen Umständen zurechtzukommen. Wie die Täter ihr Leben weiterleben, das überlasse ich ihnen. Nur den Käfig kann ich nicht zurückgeben, es war eine Sonderanfertigung.« Kurz deutete er mit dem Kinn auf das Stahlkonstrukt und schaute dann wieder zu seinem Lebensgefährten hinüber.
    »Er fühlt sich wesentlich wohler hier als im Spital. Vielleicht sollte ich ein paar Schmetterlingsvitrinen neben seinem Bett aufhängen, was meinen Sie? Damit er sie sehen kann. Darüber würde er sich sicher freuen. Er hat sein Hobby stets mit großer Leidenschaft betrieben.«
    »Ach, das waren gar nicht Sie?«
    »Bei Ihrem letzten Besuch habe ich zu einer Notlüge gegriffen. Man will ja nicht gleich alle mit seinem Schicksal belasten.«
    »Sie hat das nie interessiert?«
    Vertraulich beugte sich Bastiani zu mir herüber und senkte die Stimme. »Niemals, ich fand die Dinger immer grässlich. Nur wegen Alain hängen sie noch an den Wänden. Ich hab den ganzen Krempel, den er zum Präparieren der Tiere gebraucht hat, in einer der Scheunen verstaut.«
    Zwischen meinen Synapsen sprühten erneut die Funken. »Auch das Chloroform?«, fragte ich angespannt.
    »Ja klar, alles.«
    »Wurde in letzter Zeit eingebrochen?«
    »Ach so, Sie denken, jemand hat das Zeug geklaut, um die Opfer damit zu betäuben? Mir ist nichts aufgefallen. Aber einbrechen könnte da jeder, das wäre ein Leichtes. Die Schober sind alt und das Holz morsch. Aber wir können das jetzt gleich überprüfen.«
    Bastiani ging vor mir die Treppe hinunter, jedoch nicht ohne Alain zuvor zu erklären, wer ich war und was wir vorhatten.
    Ich war mir nicht sicher, ob Alain auch nur ein Wort davon verstanden hatte, aber diese
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